Was macht einen kompetenten Psychotherapeuten aus? Diese Frage stellen sich wahrscheinlich nicht nur die meisten Klienten. Sie beschäftigt auch viele Therapeuten im Laufe ihres Arbeitslebens, weiß der Münchner Psychologe Benjamin Martens. Er bringt als Betreiber des Online-Portals psycheplus beide Seiten mithilfe einer gezielten Matching-Suche möglichst passgenau zusammen - und hat dafür die Probleme, die beim Aufbau einer erfolgreichen Therapeutenbeziehung auftreten können, genauestens untersucht. "Wie Kompetenz in diesem Bereich wahrgenommen wird, hängt zunächst einmal entscheidend von der Perspektive ab: Fachkollegen beurteilen einen Therapeuten selbstverständlich anders als seine Klienten. Die fachliche Expertise und die Wahrnehmung dieser Kompetenz können mitunter weit auseinander liegen. Schließlich hängt die Qualität des Urteils maßgeblich vom Wissensstand und damit der Urteilsfähigkeit des Gegenübers ab." Geht es um die Gestaltung der Klientenbeziehung, besteht die Herausforderung also darin, die eigene Kompetenz in einer Weise wahrnehmbar zu machen, die nicht unbedingt profunde fachliche Kenntnis der Materie voraussetzt.
Ein Anspruch, viele Meinungen
Einfach gedacht, schwierig umzusetzen: Schon unter Psychologen gibt es keine einhellige Meinung darüber, was Kompetenz in der Psychotherapie ausmacht. So sieht etwa der Verhaltenstherapeut Prof. Peter Fiedler ein Vorbild im wenig intuitiv agierenden Therapeuten, der die therapeutischen Manuale verinnerlicht hat und sich strikt daran hält, denn diese seien "durchgängig sehr erfolgreich". Prof. Iver Hand plädiert dagegen für mehr Kreativität im Ansatz und meint im Gegenteil, dass "Erfahrung gepaart mit Flexibilität und (erhaltener) Neugierde zu kreativen Abwandlungen des Standardvorgehens führen sollte". Zwischen diesen beiden Polen blüht eine relativ kontroverse Diskussion unter Fachleuten. Noch nicht berücksichtigt sind hier noch die individuellen Bedürfnisse des Klienten, die flexibles Handeln nicht nur im Hinblick auf die Person und ihr Störungsbild, sondern auch auf dessen Therapieerwartungen erfordern.
Auf die Beziehung kommt es an
Der Psychologe Benjamin Martens hält die Kontroverse aus einem praktischen Blickwinkel heraus deshalb sogar für eine eher akademische Diskussion: "Ein guter Therapeut muss unter anderem die Fähigkeit haben, seinen Stil an diese Rahmenbedingungen anzupassen. Wer hier zu statisch an eigenen Vorstellungen festhält, wird niemals allen Klienten gleichermaßen gerecht werden können." Auch die Forschung, so etwa eine Studie von Dirk Revenstorf an der Universität Tübingen, stützt diese Sichtweise. Revenstorf weist in seiner Arbeit zum Thema "Therapeutische Kompetenz und Methodenäquivalenz" nach, dass therapeutische Interventionen im Allgemeinen zwar eine gute bis sehr gute Wirkung erzielen - in rund 80 Prozent der Fälle kann von einem Behandlungserfolg gesprochen werden. Allerdings scheint laut Revensdorf "der Beitrag der spezifischen Methoden zur therapeutischen Wirksamkeit relativ gering zu sein" (Revenstorf, 2009, S. 5), namentlich im einstelligen bis unteren zweistelligen Prozentbereich. Selbst die "Wirksamkeitsunterschiede zwischen den Therapieformen verteilen sich eher zufällig um Null". Der Befund untermauert daher einmal mehr die Annahme, dass vor allem die Beziehung zwischen Klient und Therapeut für den Therapieerfolg entscheidend ist: "Allenfalls gibt es effizientere Arten der Beziehungsgestaltung für einzelne Patienten und bei bestimmten Störungen und effizientere Arten der Umsetzung von Interventionen", so Revenstorf. Sein Fazit deckt sich mit den Erfahrungen, die auch Benjamin Martens aus dem therapeutischen Umfeld berichtet werden: "Grundsätzlich spielen die Methoden eine wichtige Rolle in der therapeutischen Interaktion: Es gibt Störungen, bei denen ein bestimmtes Vorgehen die Wahrscheinlichkeit auf Heilung erhöht. Die menschliche Passung zwischen Therapeut und Klient hat aber mit Sicherheit noch größeren Einfluss", so Martens.
Therapeutisches Dilemma
Dieser als Alliance bekannte Faktor therapeutischer Wirksamkeit wird ergänzt durch die so genannte Allegiance, d.h. die beim Therapeuten vorhandene sowie die beim Klienten gewachsene Überzeugung von der Richtigkeit der gegebenen Intervention. Diese Anforderung erhöht abermals die Bedeutung des Therapeuten für den Therapieerfolg - i.e. seiner Fähigkeit, die eigene Expertise überzeugend zu vermitteln. "Dabei agiert der Therapeut mehr oder minder bewusst in einem Dilemma", weiß der Psychologe Benjamin Martens: "Er muss von sich als Therapeut und seinen Fähigkeiten überzeugt sein, um beim Klienten das erforderliche Vertrauen aufzubauen. Er weiß aber zugleich, dass Methode und Konzept der von ihm eingeleiteten Intervention dafür nicht allein entscheidend sind." Wie also kann er seine therapeutische Kompetenz dem Klienten gegenüber stimmig und überzeugend erfahrbar machen? Martens verweist zweifelnde Therapeuten hier gerne auf das Kontext-Modell von Frank und Frank. Es benennt ein handliches Set von vier Faktoren der therapeutischen Kompetenz: Insignien der Autorität, Erklärungsmodell, Behandlungsritual und affektiv bedeutsame Interaktion. Was ist hierunter im Einzelnen zu verstehen?
Auf Details achten - der erste Eindruck zählt
Gerade zu Beginn der Therapie ist der Aufbau einer belastbaren Vertrauensbasis als elementare Voraussetzung für den Erfolg aller weiteren Schritte von maßgeblicher Bedeutung. Die Insignien der Autorität klingen ein wenig nach Reichsapfel und Zepter, meinen aber vor allem ein stimmiges Gesamtbild, das dem Klienten möglichst auf Anhieb fachliche Kompetenz sowie Professionalität vermitteln sollte. Es heißt, es gäbe keine zweite Chance für den ersten Eindruck - und dies ist wahrscheinlich in kaum einem anderen Kontext zutreffender als für den Erstkontakt zwischen Therapeut und Klient. Da das äußerliche Gesamtbild in sich stimmig sein muss, um zu überzeugen, spielen schon gerne vernachlässigte Details wie die Lage der Praxis, das Türschild und das Auftreten der Sprechstundenhilfe eine wichtige Rolle. Das gleiche trifft auf die Gestaltung und die Einrichtung der Praxisräume zu, die eine arbeitsfördernde, seriöse und gleichzeitig angenehme Atmosphäre ausstrahlen sollten.
Transparenz schafft Vertrauen beim Klienten
Zur persönlichen Vorstellung des Therapeuten gehört für Martens unbedingt auch die Bereitstellung von Angaben über seine Ausbildung und den bisherigen Werdegang bis zum aktuellen Tag. "Dem Gebot der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Qualifikation ist allerdings mit einem gerahmten Diplom an der Wand noch längst nicht Genüge getan", so der Psychologe. "Der durch das Internet zunehmend gut informierte, mündige Patient erwartet heute, dass er sich selbstständig von der Qualifikation seines Therapeuten überzeugen kann. Deswegen sollten genaue Informationen über Studium, akademische Titel, fachliche Erfahrung und Weiterbildungen in einer auch für Laien verständlichen Form online abzurufen und ein möglichst detailliertes Profil in einem entsprechenden Umfeld gut findbar sein." Die durch diese Angaben begründeten Erwartungen an den Therapeuten gilt es in der Folge auch im persönlichen Auftreten einzulösen: So kommt etwa der Beachtung universaler kultureller Normen wie Pünktlichkeit und Höflichkeit immense Bedeutung zu - zumal beides den Eindruck eines verlässlichen, sicheren Umfeldes erzeugt, in dem sich auch womöglich unsichere Besucher gut aufgehoben fühlen, betont Martens.
Erwartungen nicht hoch schrauben, sondern managen
Ist der Erstkontakt geglückt, kommt für die Gestaltung der Klientenbeziehung nun der zweite Kontext-Faktor, das Erklärungsmodell, verstärkt zum Tragen. Zwar billigen zahlreiche empirische Befunde der Therapieforschung diesem, wie gezeigt, nur einen geringen Anteil am Therapieerfolg zu. Andererseits hängt die erfolgsentscheidende Überzeugung des Klienten von der Wirksamkeit der Therapie zu großen Teilen von der Plausibilität des Erklärungsmodells ab, das der Therapeut seinem Klienten anzubieten hat. Hier scheint vor allem eine genaue, verständliche Beschreibung der Störung und des Verlaufs von Behandlung und Heilung als Ausweis therapeutischer Kompetenz wahrgenommen zu werden. Der nach Horvath (2001) postulierten Anforderung, der Therapeut habe vor allem eine positive Erwartungshaltung auf der Patientenseite zu wecken, widerspricht Martens vor dem Hintergrund seiner Gespräche mit Therapeuten und Klienten: Er rät eher zu einem realistischen Erwartungsmanagement für den Aufbau einer fruchtbaren Arbeitsbeziehung zum Klienten. "Allzu hohe, letztlich nicht einlösbare Hoffnungen können leicht zu Enttäuschungen und einem Verlust des Vertrauens in die Kompetenz des Therapeuten führen und wirken sich damit mittelfristig gesehen eher schädlich aus." Dazu gehört für Martens auch, die konsequente Balance zwischen einem sicheren, selbstbewussten Auftreten und einer selbstkritischen Überprüfung der eigenen Fähigkeiten zu finden: "Zwar untermauert die Spezialisierung eines Therapeuten seine Qualifikation für die Behandlung bestimmte Störungen. Sie bedeutet in aller Regel aber auch, dass es Problemfelder gibt, für die er sich weniger gut eignet. Ein glaubwürdiger, vertrauenerweckender Therapeut muss daher in der Lage sein zu erkennen, wann es sinnvoll ist, einen Fall abzugeben."
Klare Struktur oder bloße Routine?
Die Ablaufroutine ist ebenfalls ein bedeutsamer Teil des methodenspezifischen Bereichs der Psychotherapie. Prinzipiell führt ein für den Klienten nachvollziehbarer, geordneter Ablauf der Sitzungen nach Einschätzung führender Experten direkt zu einer Stärkung des Vertrauens in die Kompetenz des Therapeuten: "Zu wissen, dass sowohl die einzelne Therapiestunde als auch der Therapieablauf als Ganzes eine vorhersagbare und zielgerichtete Struktur haben, kann die potenzielle Verunsicherung seitens der Patienten reduzieren, positive Behandlungserwartungen und Therapiemotivation fördern", resümieren etwa Hoyer et al. (2003). Dies macht deutlich, dass eine wirksame Therapie nicht ohne eine einheitliche, klar strukturierte Arbeitsweise auskommt, die eine gründliche Vor- und Nachbereitung der einzelnen Sitzungen mit einschließt - angesichts des häufig enormen Zeitdrucks leider keine Selbstverständlichkeit. Doch allein Routine reicht nicht aus, um einen Klienten von der Kompetenz seines Therapeuten zu überzeugen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass auch die Bereitschaft sowie die Fähigkeit des behandelnden Therapeuten, die Fragen des Klienten angemessen, kompetent und inhaltlich korrekt zu beantworten, bei der Schaffung einer produktiven, motivierenden Atmosphäre ausschlaggebend sein kann.
Innere Balance erlebbar machen
In diesem Punkt überschneidet sich die fachlich-theoretische Kompetenz des Therapeuten mit seiner kommunikativ-sozialen Fähigkeit, eine Verbindung zum Klienten herzustellen. Wie das Kontext-Modell impliziert, ist ein guter Therapeut in der Lage, mit seinem Klienten in eine affektiv bedeutsame Interaktion zu treten. Die Forschung zeigt, dass Therapeuten bessere Erfolge haben, wenn sie weniger auf Technik und mehr auf den Kontakt oder Resonanz beim Klienten setzen. Aus dieser Bedeutung der Beziehung zwischen Therapeut und Patient ergeben sich zwei Erfordernisse: Zum einen muss der Therapeut über ein hinreichend ausgeprägtes Maß an emotionaler Intelligenz verfügen. Zum anderen aber ist die Einhaltung eines gewissen kritischen Abstandes ebenso wichtig. In der aktuellen Forschung ist die Hypothese unstrittig, dass die emotionale Stabilität und das Wohlbefinden des Therapeuten einen direkten Einfluss auf den Erfolg der Behandlung seiner Klienten haben. "Die Essenz der Psychotherapie ist und bleibt wohl der Therapeut", schreibt Revenstorf. Martens bestätigt dies aus seinen Erfahrungen bei psycheplus: "Ein erfolgreicher Therapeut bringt neben persönlicher Reife und innerer Ausgeglichenheit auch die Fähigkeit mit, seine Balance zwischen Empathie und innerlicher Abgrenzung für den Klienten erlebbar zu machen. Dies bewirkt nicht nur die Vermittlung seiner persönlichen Kompetenz, sondern stellt letztlich den Kontext her, in dem der Klient die besten Voraussetzungen findet, um sich positiv zu entwickeln." Weitere Informationen unter www.psycheplus.de
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