Hand auf"s Herz - sind Sie nicht auch schon einmal umgekehrt, um nachzuprüfen, ob der Herd wirklich ausgeschaltet oder das Auto abgeschlossen war? Sich gelegentlich selbst zu überprüfen ist sinnvoll, weil wir so mitunter erheblichen Schaden verhindern können. Für viele Menschen sind entsprechende Zweifel und Kontrollhandlungen aber zum ständigen Begleiter geworden - und damit die Frage, ob ihre Rituale nur eine "harmlose Marotte" sind oder es sich dabei vielleicht schon um eine Zwangsstörung handelt. Worin Betroffene und ihr Umfeld Alarmsignale erkennen können und was die Entstehung von Zwangsstörungen begünstigt, erläutert der psycheplus Psychologe Benjamin Martens.
Vom Ohrwurm zum Waschzwang
Jeder von uns kennt Zwangsgedanken aus eigener Anschauung: "Der berühmte Ohrwurm gehört etwa dazu - selbst, wenn wir uns mit aller Kraft dagegen wehren: Immer wieder drängt sich die Melodie in unser Bewusstsein", erklärt der Psychologe Benjamin Martens von psycheplus. Von einer Zwangsstörung spricht man erst, wenn bestimmte Gedanken- und Handlungsmuster den Betroffenen anhaltend gegen seinen Willen beherrschen: Das kann bedeuten, dass Personen, die unter einem Waschzwang leiden, sich unablässig die Hände waschen, weil Ekel und die Angst vor Infektionen zum ständigen Begleiter werden. Oder dass ein Ordnungszwang den Betroffenen erst zur Ruhe kommen lässt, wenn sein Umfeld penibel aufgeräumt oder alle Gegenstände akribisch abgezählt wurden. Rund zwei Millionen Deutsche sind von Zwangsstörungen betroffen, wobei von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen werden kann. "Zwangsstörungen gibt es in vielfältiger Form - auch der Drang nach unablässiger Kontrolle, die Unfähigkeit, sich von Dingen zu trennen oder aggressive Gedanken auszublenden, können Zwangscharakter haben", weiß der psycheplus Experte. Wer an einer entsprechenden Erkrankung leidet, ist sich dabei der Sinnlosigkeit seiner Handlungen meist voll bewusst. Er kann diese aber nicht abstellen, meist aus einer unbestimmten, aber intensiven Angst heraus.
Leben in der Endlosschleife
Die Ursachen für die Entwicklung einer Zwangsstörung sind so zahlreich wie ihre Ausprägungen: Im Kern geht es aber meist um die Erlangung von Kontrolle. "Rituale helfen uns, besser mit unserer Angst umzugehen - das wissen wir seit Menschengedenken: Ob wir täglich beten, um Krieg und Krankheit abzuwenden, oder eine Zeremonie abhalten, um eine Beziehung vor vorschneller Trennung zu schützen - ritualisierte Handlungen geben uns Sicherheit", erläutert der psycheplus Experte. Getreu dem Motto "Viel hilft viel" führen Menschen mit Zwangsstörungen diesen alten psychologischen Trick aber ad absurdum: Da ihre Gedanken ständig um bestimmte Befürchtungen kreisen, müssen sie die Zwangshandlungen unablässig wiederholen, um zumindest für wenige Momente Erleichterung zu finden. "Auch Schuldgefühle, ein extremes Pflichtbewusstsein oder hohe psychische Belastungen und Kindheitstraumata können zur Entwicklung einer Zwangsstörung beitragen", so der Psychologe Benjamin Martens.
Ausweg aus dem Teufelskreis
Wer an einer Zwangsstörung leidet, wird Zug um Zug zum Außenseiter - das Umfeld reagiert häufig mit Kopfschütteln, Angehörige mit "Fremdschämen". Der Betroffene meidet den sozialen Kontakt schließlich selbst: "Zum einen nehmen ausgeprägte Zwänge sehr viel Zeit in Anspruch, zum anderen verstärkt der Umgang mit anderen Menschen häufig die Neigung zu Zwangshandlungen, da etwa ein Besuch mit dem Gefühl der Verunreinigung oder Unordnung verbunden wird", erläutert der psycheplus Experte. So kommt es früher oder später zur sozialen Isolation. Extreme Ausprägungen haben zudem nicht selten körperliche Folgen, etwa eine vom Waschen bis zur Wundbildung strapazierte Haut. "Wegsehen und Belächeln ist hier sicher der falsche Weg", stellt der Psychologe Benjamin Martens fest, und rät: "Wenn Rituale Zwangscharakter entwickeln, brauchen die Betroffenen therapeutische Hilfe - denn allein können sie sich aus diesem Teufelskreis nicht befreien." Ein Psychotherapeut wird zunächst eine verlässliche Diagnose stellen und eine geeignete Therapie einleiten. Bei der Konfrontations- oder Reaktionstherapie wird der Betroffene etwa Zwangssituationen ausgesetzt, deren Intensität allmählich gesteigert wird. Dabei lernt der Patient, sich seiner Zwangsstörung bewusst zu werden und Widerstand dagegen zu leisten. Wichtig ist auch die Einbindung der Familie und des Umfeldes, um dem Betroffenen eine sichere Rückzugsmöglichkeit bieten zu können.
Weitere Informationen zum Thema Zwangsstörung finden sich auf www.psycheplus.de, darunter auch der wissenschaftliche psycheplus Premiumtest, der wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Zwangsstörung geben kann.
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