Eine ganze Branche blickt derzeit
gespannt auf den Bundesgerichtshof: Seit letztem Jahr liegen dem
Großen Senat Fragen des 3. und 5. Strafsenats vor, die die
Ärzteschaft betreffen. Kernpunkt: Ist der niedergelassene
Vertragsarzt Amtsträger und kann somit wegen Bestechlichkeit belangt
werden? "Mit der Entscheidung des Großen Senats steht ein
Paradigmenwechsel an - nicht nur für die Zusammenarbeit von
pharmazeutischer Industrie und Vertragsärzten, sondern auch für die
Kooperation zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt", sagt
Prof. Dr. Hendrik Schneider von der Universität Leipzig. Unter dem
Vorsitz des Professors für Strafrecht diskutieren auf der
Euroforum-Jahrestagung "Aufdeckung und Bekämpfung von Fehlverhalten
im Gesundheitswesen" am 28. und 29. Juni 2012 Vertreter aus Justiz
und verschiedenen Gesundheitssektoren über die anstehende
Rechtsprechung und ihre Konsequenzen. Auch die Auswirkungen der neuen
sozialrechtlichen Regeln durch das Versorgungsstrukturgesetz stehen
auf der Agenda. Experten aus Staatsanwaltschaft und Polizei berichten
zudem über die Ahndung von Betrugsfällen im Gesundheitswesen. Das
vollständige Programm ist abrufbar unter:
www.euroforum.de/fehlverhalten
Generalverdacht ist unangmessen
Nicht jede Zusammenarbeit zwischen Beteiligten des
Gesundheitswesens sollte gleich unter Generalverdacht gestellt
werden, so die Forderung von Branchenverbänden. Dr. Erik Strauß vom
MVZ Kopfzentrum Leipzig präsentiert auf der Jahrestagung mögliche
Formen der Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und Industrie und
diskutiert deren wissenschaftliche Notwendigkeit und wirtschaftliche
Attraktivität. Aus Sicht der Pharmaindustrie beleuchtet Dr. Wolfgang
Golisch, Medical Director der Roche Pharma AG, die Zukunft von
Kooperationen mit Ärzten. "Im so genannten Gesundheitsmarkt herrscht
ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb, aber mehr
Gesundheitsleistungen bedeuten nicht mehr Gesundheit", konstatiert
Dina Michels, Leiterin der Abteilung Betrugsabwehr bei der
KKH-Allianz, im Vorfeld der Tagung. Die Krankenkasse hat im
vergangenen Jahr bundesweit 589 Betrugsfälle aufgedeckt und
Forderungen aufgrund von Abrechnungsbetrug in Höhe von 934.000 Euro
geltend gemacht. Insgesamt haben die KKH-Ermittler in den letzten elf
Jahren fast 10.000 Fälle aufgegriffen. Dina Michels wird auf der
Euroforum-Tagung über ihre Arbeit sprechen.
"Zuweisungen von Patienten an Fachkollegen und Kliniken gegen
wirtschaftliche Vorteile sind keine Ausnahmen, sondern eine relativ
verbreitete Praxis", beobachtet Prof. Dr. Kai Bussmann, Professor für
Strafrecht und Kriminologie an der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg. Auf der Tagung stellt er eine bundesweite Studie
vor, in der er die Rolle des Arztes als Gesundheitsunternehmer
untersucht hat. Die Häufigkeit von Patientenzuweisungen und
Beteiligungen an der Arznei- und Hilfsmittelversorgung gegen
wirtschaftliche Vorteile beleuchtet er ebenso wie Vor- und Nachteile
von zusätzlichen Vergütungserwartungen aus Sicht der Geber. Corporate
Governance und die Aufdeckung von Betrugsfällen im eigenen
Unternehmen sind eine besondere Herausforderung. "Antikorruption ist
Information, Transparenz, Standardisierung und Wiederholung", sagt
die Leiterin der Rechtsabteilung des Universitätsklinikums
Düsseldorf, Mechthild Lambers, die einen Einblick in die
Corporate-Governance-Aktivitäten ihres Hauses geben wird.
Zusammenarbeit aller Markteilnehmer ist erforderlich
Aus Sicht eines Strafverfolgers berichtet Alexander Badle von der
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt über den, wie er es nennt,
"Tatort Gesundheitsmarkt": "Die Bekämpfung von Vermögensstraftaten
und Korruption im Gesundheitswesen kann nur gelingen, wenn die
Strafverfolgungsbehörden und sämtliche Marktteilnehmer Hand in Hand
arbeiten. Die Marktteilnehmer sind aufgefordert, durch aktive
Prävention ihren Beitrag zum Schutz des Gesundheitsmarktes zu
leisten", so der Staatsanwalt. Er stellt auf der Euroforum-Tagung
Verhaltensstrategien bei Konfrontation mit einem strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren vor und gibt einen Ausblick auf kommende
strafrechtliche Entwicklungen im Gesundheitsmarkt.
Das Programm: www.euroforum.de/fehlverhalten
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