Leipzig, 21. Oktober 2008: Moderne Stammzelltherapien haben vielen Kindern ein neues Leben geschenkt – und jährlich werden es mehr. Dabei geht es nicht mehr nur um Leukämien oder Krebstumoren. Auch Krankheiten, die nicht lebensbedrohlich sind, aber für die betroffenen Kinder und Eltern eine beträchtliche Belastung darstellen, sind dank neuer Verfahren behandelbar.
Biologische Herzklappe in Hannover verpflanzt
Prof. Dr. Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule Hannover hat erstmals in Deutschland einem Kind eine biologische Herzklappe eingesetzt, die mit Hilfe körpereigener Zellen hergestellt wurde. Entsprechende Ergebnisse stellte er im Oktober vor. Vorteil der neuen Herzklappe ist, dass diese vom Körper als eigene angenommen wird und mitwächst. Dadurch entfallen Folgeoperationen und die Einnahme von Medikamenten, welche bei künstlichen Herzklappen die Abstoßung unterdrücken. Zuvor hatten durch das Ärzteteam aus Hannover bereite mehrere moldawische Kinder und Jugendliche eine solche biologische Herzklappe erhalten.
Über 500 Anwendungen von Nabelschnurblut in Durham
Dr. Joanne Kurzberg vom Duke University Medical Center in Durham, USA hat nach eigenen Angaben bereits deutlich über 500 Kinder mit Stammzellen aus Nabelschnurblut behandelt, Entsprechende Zahlen stellte sie auf einem Transplantationsworkshop der Deutschen Gesellschaft für Regenerative Medizin (GRM) Ende September in Heidelberg vor. Inzwischen hat Kurtzberg auch bereits rund 70 Kinder mit eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen behandelt, das die Eltern zur Geburt einlagern ließen. Viele dieser Kinder erhielten die Stammzelltherapie, weil es bei ihnen infolge eines Sauerstoffmangels unter der Geburt zu einer Schädigung des Gehirns kam. In Deutschland sind jährlich rund 1.000 Kinder davon betroffen. Hier beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe der Ruhr-Universität Bochum mit der Entwicklung eines ähnliches Verfahrens. Dabei soll ebenfalls das eigene Nabelschnurblut des Kindes zum Einsatz kommen.
Diabetes Typ 1 erstmals mit Stammzellen behandelt
Auf dem Workshop der GRM in Heidelberg wurde außerdem eine neue gestartete klinische Studie zur Therapie von Diabetes Typ 1 mit Stammzellen vorgestellt. Das Institut für Diabetesforschung in München wird Kinder mit jugendlichem Diabetes mit den eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen behandeln. Eine ähnliche Studie in den USA hatte ergeben, dass die Stammzellen offenbar eine Erneuerung der vom Immunsystem attackierten Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse bewirken und einer weiteren Zerstörung der Insulin-produzierenden Zellen entgegenwirken. Für die jungen Patienten bedeutete dies, dass sie geringere Insulinmengen benötigten als Kinder, die keine Stammzellbehandlung erhielten.
Nabelschnurblut für den Bruder
Geschwister sind optimale Stammzellspender, wenn die eigenen Stammzellen des Patienten nicht in Frage kommen. Auch Nabelschnurblut-Stammzellen eines Geschwisters können genutzt werden. So wurde zum Beispiel vor einiger Zeit ein Junge aus der Nähe von Osnabrück mit einem gefährlichen Knochenmarksversagen mit dem Nabelschnurblut seines Bruders erfolgreich behandelt. In immer mehr Länder nutzen Eltern zudem die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung, um für kranke Kinder gezielt ein genetisch passendes Geschwisterkind zu zeugen. Aktuell berichten spanische Medien über einen solchen Fall. Hier wurde ein 6-jähriger Junge, der an einer genetisch bedingten Bluterkrankung litt, mit Hilfe der Stammzellen aus dem Nabelschnurblut seines neugeborenen Bruders behandelt. Dieses Verfahren, das auch unter dem Namen „Designerbaby“ bekannt ist, wurde beispielsweise auch in Großbritannien und den USA erfolgreich angewendet, um kranken Kindern zu helfen.
Nabelschnurblut: Zu wertvoll, um es wegzuwerfen
„Ich gehe davon aus, dass der Bedarf an Stammzellen aus dem Nabelschnurblut in den kommenden Jahren deutlich ansteigen wird“, so der Leipziger Arzt und Stammzellexperte Dr. Eberhard Lampeter. Er hat 1997 mit Vita 34 die erste Nabelschnurblutbank für Familien gegründet. „Der Vorteil von Nabelschnurblut-Stammzellen ist, dass sie außerordentlich potent, sehr gut verträglich und über eine ganze Lebensspanne haltbar und verfügbar sind.“ Nachteil ist, dass Nabelschnurblut nur zur Geburt eines Kindes verfügbar und danach unwiderruflich verloren ist. Lampeter empfiehlt allen werdenden Eltern und Großeltern, sich rechtzeitig vor der Geburt mit dem Thema Nabelschnurblut auseinanderzusetzen. „Egal, ob Eltern das Nabelschnurblut spenden oder für ihr eigenes Kind aufbewahren“, so Lampeter, „wichtig ist, dass sie es nicht wegwerfen.“
Weitere Informationen:
Medizinischen Hochschule: www.mh-hannover.de
Gesellschaft für Regenerative Medizin: www.grm-aktuell.de
Nabelschnurblut: www.nabelschnurblut.de