Aus Skandinavien schwappt ein neuer Trend nach Deutschland. Feiern in der Mittagspause. Ohne Alkohol, ohne Drogen aber auch ohne Gespräche über den Job. Nach einer Stunde ist die Auszeit vorbei und die Teilnehmer gehen entspannt zurück zu ihrer Arbeit. Wir sprachen mit dem freiburger Soziologen Sacha Szabo über dieses Phänomen.
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Lunch-Beats werden immer populärer. Warum feiern Menschen überhaupt?
Sacha Szabo: Eine Feier bzw ein Fest ist immer eine Auszeit vom Alltag. Es ist ein Moment des Außeralltäglichen. Wobei wir präziserweise zwischen Fest und Feier unterscheiden müssen. Eine Feier hat klare Regeln, denken wir etwa an eine Eucharistiefeier oder an den Nationalfeiertag. Ein Fest hingegen ist freier und exzessiver. Am deutlichsten wird dies beim Oktoberfest, dem Epizentrum der Festkultur, dort ist der Rausch ein zentrales Erlebnis. Die Funktionen dieser beiden Phänomene unterscheiden sich auch sozial. So versichert sich in einem Fest eine Gemeinschaft sich ihrer selbst, wohingegen in einer Feier sich eine Gesellschaft ihrer selbst versichert.
Es findet ja ein Boom von Partys statt, wie erklären Sie das?
Sacha Szabo: Die Party, gerade der Lunch-Beat, ist ein Event und steht damit im Trend der Eventisierung. Immer mehr alltägliche Dinge werden zu einem Erlebnis umgewidmet. Damit wird auch aus dem Außeralltäglichen eine sehr alltägliche Veranstaltung, die damit auch nichts besonderes mehr ist. Es ist eine Art Erlebnisinflation. Wobei das Bedürfnis, das einem Event zugrunde liegt, nämlich einzigartige Erlebnisnisse zu erleben, nicht gestillt wird, sondern der Hunger nach diesem Erlebnis bestehen bleibt, ja sogar noch zunimmt.
Was vertehen Sie unter Erlebnis?
Sacha Szabo: Ein Erlebnis ist die Erfahrung des Außeralltäglichen. Eines Zustandes in dem der Mensch mit seiner Umwelt eins wird. Ein Zustand, in dem Zeit keine Rolle mehr spielt und damit Ängste und Sorgen aufgehoben sind.
Kann sich der Lunch-Beat als Fest oder halt als Feier etablieren?
Sacha Szabo: Nun das erste was heute attestieren kann, dass es sich um einen Trend handelt. Noch ist es ein Trend und keine Tradition. Lunch-Beat ist ein Sinnbild für die neoliberale Maxime der Fitness. Nämlich, dass ich dafür Sorge zu tragen habe, dass ich meinen Körper für die Gesellschaft oder zugespitzt für die Arbeitswelt fit zu halten habe. Der Körper ist in diesem Diskurs kein Privatvergnügen sondern öffentliches Eigentum..
Sie haben ja dem Fest etwas Exzessives attestiert, kann es überhaupt eine regenerative Party geben?
Sacha Szabo: Das Konzept einer regenerativen Party kann funktionieren, es steht ja in der Tradition dass Freizeit dazu dienen soll die Arbeitskraft wiederherzustellen. Alle Zeit über diese regenerative Zeit hinaus wird als Verschwendung verteufelt. Das ist das Konzept des protestantischen Arbeitsbegriffs und Skandinavien hat ja bekanntermaßen eine lange protestantische Tradition.
Vielleicht sind es aber genau die Regeln, die den Lunch-Beat so attraktiv machen.
Sacha Szabo: Wir haben ja konstatieren können, dass es sich bei dem Lunch Beat um kein Fest im eigentlichen Sinne, sondern um eine Feier handelt. Dies wird auch durch die Regeln festgehalten, die ja dezidiert, all die Medien, die zu einem Fest gehören, wie etwa Alkohol oder möglicherweise andere Rauschmittel ausschließen, auch das Essen soll nicht zur Völlerei werden, vielmehr erleben wir hier eine Form der Selbstdisziplin mit einem Beat unterlegt. Wenn man so will Zumba-Fitness mit vollem Mund.
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