fit und munter - Gelassen fahren statt aus der Haut

fit und munter

Gelassen fahren statt aus der Haut

Mal wieder fast ausgeflippt hinterm Steuer? Wer sich in seinem Auto schnellüber die"Idioten"vor sich aufregt und vor Zorn fast ins Lenkrad beißt, der schadet vor allem sich selbst. Hier gibt es die Profi-Tipps für weniger Stress am Steuer.
Ob Stau oder Schlechtwetter, ob Drängler oder Trödler: die Widrigkeiten im Straßenverkehr, denen man heute als Autofahrer ausgesetzt ist, sind zahlreich. Und das erzeugt jede Menge Stress. Der Puls rast, die Hände werden feucht, der Blutdruck steigt, die wütenden Gedanken erzeugen Kopfschmerz. Genau genommen kommt dieser Stress aber nur zu einem geringen Anteil wirklich von außen, denn "die meisten Fahrer stressen sich im Auto selbst", weiß die Individualpsychologische Beraterin Barbara Fischer-Reineke aus Stuttgart. Da werden ansonsten freundliche Mittfünfziger urplötzlich zu Rennfahrern und setzen Vettel-gleich zu riskanten Überholmanövern an, bei denen sie mehr Adrenalin produzieren, als ihnen gut tut. Da lassen sich liebevolle Familienväter zu Worten und Gesten hinreißen, die sie ihren Sprösslingen strengstens verbieten. Und friedliche Ehegatten fahren dem Vordermann so dicht auf, dass die Gemahlin auf dem Beifahrersitz vor Angst erbleicht.

Der Stau blockiert äußerlich - die Wut innerlich
Was aber löst die plötzliche Verwandlung aus, der so mancher Unfall (und Ehekrach) zuzuschreiben ist? "Hier werden uralte Jagd- und Fluchtreflexe im Gehirn aktiviert, die den Fahrer völlig irrational handeln lassen", erklärt die Psychologin. Hierzu trage auch die immer stärkere Motorisierung der Autos bei. "Gerade die hochpotenten und PS-starken Autos erzeugen beim Fahrer einen starken Druck in Richtung Konkurrenzdenken - den Anderen ausstechen, der Schnellere, der Stärkere sein wollen, das reizt. Da sind Ur-Reflexe am Werk." Genau darin liege aber die Gefahr, denn sobald das instinkthafte "Raufen- oder- Laufen-Programm" erst mal gestartet wurde, produziert das Gehirn all jene Botenstoffe, die im existenziellen Kampf der Urzeit erforderlich waren. Es wird dem Körper jede Menge Energie zur Verfügung gestellt, die er zum Kampf oder zur Flucht braucht.
Hinter dem Lenkrad ist man aber zum Stillsitzen verdammt, der Energieschub kann nicht für Aktivität genutzt werden, folglich richtet er sich gegen den Menschen selbst. Die Liste der krankmachenden Symptome ist lang. Wer sich also im Stau mörderisch darüber aufregt, dass es nicht voran geht, fügt der äußeren Blockade auch noch eine innere hinzu und macht sich selbst krank. Positives Stressmanagement oder ein guter Umgang mit sich selbst (und nicht nur mit dem teuren Auto!) erfordert daher vor allem mentale Stärke und Klarheit.

Emotionale Knautschzone
Und was empfiehlt die Fachfrau für positives Denken als Stressbremse? Neben ganz praktischen Dingen wie regelmäßigen Pausen, Dehn- und Atemübungen, entspannender Musik und frischer Luft ist für die Mentaltrainerin natürlich eine grundsätzlich gelassenere Fahrweise das A und O. "Wer innerlich eine Haltung der Souveränität einnimmt, verschafft sich damit automatisch eine emotionale ´Knautschzone´, sagt Fischer-Reineke. Mehr Abstand - räumlich wie emotional - ist also immer gut. Konkret heißt der Anti-Stress-Tipp: Nicht schimpfen und toben wie Rumpelstilzchen, sondern sich entspannt in den Sitzpolstern zurücklehnen und sich "vernünftig" vor Augen führen, dass man von A nach B will und dass dabei eben etwas dazwischen kommen kann. Ganz wichtig sei es, die unliebsame Situation zunächst als gegeben anzuneh-men. "Bereits zu denken ´dann ist das jetzt eben so" stellt für die Psyche schon eine riesige Entlastung dar", weiß die Psychologin. Und wenn man dann noch die im Stau "verlorene" Zeit ganz bewusst sinnvoll nutzt und etwa ein Hörbuch genießt, profitiert das Nervenkostüm aller.
Durch derlei eigentlich simple Tricks gelinge es - fachlich ausgedrückt - vom irrationalen, hormongesteuerten Stressimpuls zum rationalen, positiven Denken zurückkehren. So werde man durch gute Selbststeuerung wieder Gestalter der Lage und vermeide das enervierende Gefühl des Kontrollverlustes. Ausdruck eines guten Umgangs mit sich selbst sei zudem - es klingt banal, ist es aber nicht: "Eine solide Terminplanung - denn wer mit dem Gaspedal die durch zu knappe Planung entstandene Zeitnot ausgleichen will, schadet sich selbst, das ist medizinisch bewiesen", mahnt Fischer-Reineke. Und nicht zuletzt verhelfe etwa ein freundliches Lächeln beim Einfädeln oder ein Handzeichen zum Dank fürs Vorbeilassen dem Fahrer und dem Verkehrspartner zu guten Gefühlen, die wiederum nachweislich gesundheitsfördernd sind.

Empathie statt Selbstüberschätzung
Und für all diejenigen, die den Vordermann am liebsten mit ihrem PS-starken Flitzer von der Straße schieben würden, weil er "absichtlich und provokativ" langsam fährt, hält die Fachfrau das Zauberwort Empathie bereit. Das Verhalten eines Anderen zu interpretieren, ohne dessen tatsächliche Situation zu kennen, wecke meist starke negative Gefühle und stresse den Geist enorm. Wer sich dagegen bemühe, sich in den Verkehrspartner einzufühlen, komme gar nicht erst in Stress. "Es ist übrigens ein typisches Phänomen in Befragungen, dass sich ausgerechnet diejenigen Autofahrer, die in der Flensburger Verkehrssünderdatei 18 oder noch mehr Punkte haben, für besonders gute Fahrer halten", schmunzelt die Psychologin.

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