(NL/1124230701) Hamburg, 19. Juni. Seit Monaten streiten europäische Regierungen über die Finanztransaktionssteuer. Die EU-Kommission hält einen Beschluss über die Einführung einer solchen Steuer noch in diesem Jahr grundsätzlich für möglich. Voraussetzung sei, dass beim Treffen der EU-Finanzminister in dieser Woche oder im Juli mindestens neun Länder einen entsprechenden Antrag stellen. Erhoben werden könnte die Steuer wohl aber erst Anfang 2014, da umfangreiche Vorarbeiten nötig wären. Eine Einschätzung über Sinn und Unsinn einer Finanztransaktionssteuer liefert im Folgenden Stefan Hölscher von der Stubenrauch & Hölscher Fondsberatung GmbH.
Beginnen wir mit einer kurzen Rückblende zur Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2008. So generieren Politiker Wählerstimmen: Man nehme einen Besserverdienenden/Kapitalisten, nennen wir ihn Unternehmer, und sage seinen Untertanen, dieser soll mehr Steuern zahlen. Er hätte ja schließlich genug. Schon ist der Beifall sicher. Zusätzlich nehme man noch ein Fachgebiet, auf dem die Bevölkerung vom Bildungsgrad her einem Analphabeten gleicht. Dann führe man eine Abgeltungsteuer auf Kursgewinne und Zinsen ein und sage anschließend, dass jetzt alles einfacher würde. Besser geht es gar nicht!
Was tatsächlich geschah: Davon, dass nichts einfacher, sondern alles komplizierter wurde, wollen wir hier gar nicht reden, das ist bei Steuerreformen üblich. Der Unternehmer, der am meisten getroffen werden sollte (z.B. 100 Mio. an Kapitalanlagen) wurde nicht getroffen. Nehmen wir einmal fiktiv an, dieser hatte den Großteil seines Kapitals (80 Mio.) in Anleihen angelegt, weil er es auch nicht mehr nötig hat große Risiken einzugehen. Auf die Zinsen dieser 80 Mio. zahlt er jetzt Abgeltungsteuer (bei 3 % Zinsen: ca. 600.000 Euro zzgl. Solidaritätszuschlag). Vorher hat er jedoch bei ebenfalls 3 % Zinsen knapp über 1 Mio. Steuern (persönliche Steuersatz lag bei 42 %) gezahlt. Bei Aktienanlagen waren seitdem kaum steuerpflichtige Gewinne zu erzielen. Da hat man ihn also ziemlich geschröpft, indem ihm fast die Hälfte erlassen wurde.
Wie sieht es mit dem Kleinanleger aus? Ihm wurde vorher gesagt, dass er selbst vorsorgen und sich eine zusätzliche Altersvorsorge aufbauen solle. Wie macht er das? Von geförderten Produkten einmal abgesehen, eignen sich am besten Aktien und Anleihen. Anleihen sollten nicht zu hoch gewichtet werden, weil damit kaum reale Wertsteigerungen erzielt werden können. Aktien oder Aktienfonds sind Beteiligungen am Produktivvermögen und somit die einzige Möglichkeit für einen Kleinanleger, langfristig nennenswert mehr zu verdienen, als durch die Inflation verloren geht, auch wenn wir momentan nach wie vor eine extrem schlechte Phase haben. Bei Aktien musste vorher keine Steuern bezahlt werden. Jetzt sind es 25 % zzgl. Soli, wenn langfristig eine ordentliche Rendite erzielt wird.
Die Abgeltungsteuer führte somit zu einer Entlastung der so gescholtenen Besserverdiener oder auch Kapitalisten, während der Kleinsparer, der dem Staat während der Rente nicht auf der Tasche liegen will, zur Kasse gebeten wird. Und das Schlimmste daran ist, dass es keiner gemerkt hat. Die Politiker nicht, denn sie beklagen die auseinandergehende Schere zwischen arm und reich (oder sollte Heuchelei unterstellt werden?) Und die Bevölkerung auch nicht, sie wurde auf dem Gebiet der Kapitalanlage nicht mit allzu großem Wissen belastet.
Diese Sache hat so gut geklappt, dass nun eine Wiederholung entlang der Finanztransaktionssteuer folgt. Nur mit einem Unterschied: aus dem Unternehmer werden jetzt die Banken. Diese hätten ganz allein die Finanzkrise verursacht und müssten bestraft werden. Das ist einfach, klingt plausibel und eine Bestrafung der Banken bringt Wählerstimmen und finanzielle Entlastung. Vielleicht können mit dem Geld einige weitere Geschenke finanziert werden.
Nun sollten wir die Schuldfrage außen vor lassen. Wir tun so, als seien die Banken die Alleinschuldigen und hätten eine Strafe verdient. Man führe die Finanztransaktionssteuer ein und erfreue sich an den Steuermehreinnahmen. Was machen die Banken? Zumindest die großen Banken haben eine Filiale in London oder New York oder sonst wo, wo diese Steuer nicht fällig wird. Sie würden also die Geschäfte dorthin verlagern, um Steuern zu sparen. Das sind sie ihren Eigentümern schuldig, so werden sie sagen. Da aber nicht alle Mitarbeiter aus den Handelsabteilungen mitziehen können, wird hier im besten Falle ein sozialverträglicher Abbau stattfinden. Wie ergeht es kleinen Banken, Privatanlegern, Unternehmen etc. die nicht die Möglichkeit haben, ins Ausland zu flüchten? Sie zahlen die Finanztransaktionssteuer über ihre Produkte: Fonds, Lebensversicherungen, Einzelaktien u.a. So geht man ihnen erneut an ihre Altersvorsorge. Ein Beispiel: Ein Anleger legt 30 Jahre 100 Euro in einen Aktienfondssparplan bei 6 % Wertentwicklung p.a. an und erhält am Ende 100.000 Euro. Bei Annahme, dass sich bei der Finanztransaktionssteuer z.B. 1 % mehr p.a. an versteckten Kosten zusätzlich im Fonds befinden (je nach Produkt unterschiedlich, die Größenordnung dürfte aber nach den Berechnungen einiger Institute realistisch sein), so hätte der Sparer am Ende nur noch ca. 83.000 Euro. Wird zugrunde gelegt, dass er in diesem Modell 36.000 Euro einzahlt und den Betrag zu Beginn seiner Rente liquidiert, so hätte er noch Abgeltungsteuer in Höhe von knapp 12.000 Euro zu zahlen, was den Erlös noch einmal auf 71.000 reduziert. Das schmälert die Rendite um fast 1/3 auf ca. 4 % ohne Einberechnung von Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag.
Im Ergebnis wird die Altersarmut der eigenen Bevölkerung geradezu herangezüchtet. Zumal hier von Inflation noch gar nicht gesprochen wurde und der Anleger heute überhaupt erst einmal ein Produkt finden muss, dass 6 % erwirtschaftet, bevor eine steuerliche Beschneidung erfolgen kann.
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