3. Dezember 2008: Der Welttag der Behinderten
(Kehl/Freiburg) Nicht nur der Deutsche Behindertenrat hofft auf das Engagement der Politiker für die Stärkung der Rechte behinderter Menschen. Auch andere Verbände rügen Lücken im Versorgungswesen und im Alltag. Insbesondere bei Schwerstbehinderten. Dr. med. Peter Martin, leitender Arzt der Séguin-Klinik in Kehl-Kork (Ort: Kehl-Kork und Straßburg), rügt Lücken im Versorgungswesen. Als stellvertretender Vorsitzender der Bundes-arbeitsgemeinschaft Ärzte für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung e.V. (BAG) und Leiter der Séguin-Klinik fordert er zusätzlich Fachärzte und staatliche Förderung. Gerade zum Welttag der Behinderten am 3. Dezember setzen sich viele Gruppen mit diesen Themen auseinander.
Der Deutsche Behindertenrat rügte bereits im September 2007 nach dem Gespräch des Aktionsbündnisses der deutschen Behinder-tenverbände mit der Bundeskanzlerin, dass viele Bahnhöfe, Busse und Bahnen und öf-fentliche Einrichtungen nach wie vor für behinderte Menschen in Deutschland nicht gleichberechtigt nutzbar seien. Daran hat sich auch im Dezember 2008 nicht viel geändert.
Dies ist aber nur eines von vielen Problemen. Dr. med. Peter Martin gibt zu bedenken, dass Behinderte oft mit weiteren ge-sundheitlichen Beeinträchtigungen einher-gehen. Zum Beispiel epileptische Anfälle, Konzentrationsstörungen und Tagesschläf-rigkeit, zunehmende Reizbarkeit und Aggressionen, oder Schlafstörungen. „Beson-ders nächtliches Schleimabsaugen, Sauerstoffzuführen, Muskelkrämpfe, aber auch der Einfluss von Medikamenten, Schmerzen und Ängste kann die Nacht zur Probemphase machen“, betont er Klinikleiter. Nächtliche Atemstillstände, die zu Sauerstoffman-gel führen, seien bei manchen Behinderun-gen anatomisch bedingt.
Spezialklinik für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung
Bei zahlreichen Behinderungen, die mit Wahrnehmungseinschränkungen, Anfällen, Atem- und Essstörungen einhergehen, seien Schlafprobleme fast vorprogrammiert. In Deutschland gibt es bislang nur ein einziges Schlaflabor speziell für Menschen mit schweren Behinderungen. Es ist in er Séguin-Klinik für Menschen mit schwerer geistiger Behinderung im Epilepsiezentrum Kork in Baden-Württemberg. Die Klinik verfügt über 13 Betten und kann auf die unter-schiedlichsten Bedürfnisse schwerstbehin-derter Menschen eingehen. Mittels Polyso-nografie misst man im Schlaflabor Hirnströme, Bewegungen, Muskeltonus, Temperatur und mehr. Bei der Tagung Leben pur erhielt die Séguin-Klinik im Sommer 2007 den erstmals verliehenen Innovationspreis der Stiftung Leben pur. “Die Klinik stellt unserer Zielgruppe besondere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung – konkrete Hilfe“, betont Christine Kopp, Vorstandsvorsitzende der Stiftung.
Deutschland im Vergleich zu Nachbarstaaten
Doch wie steht Deutschland beim Leistungsvergleich mit unseren europäischen Nach-barstaaten? Gibt es genug Ärzte, Kranken-schwestern, Pfleger, Krankenhausbetten?
Nach dem aktuellen Bericht von von Basys „Indikatoren der Offenen Koordinierung für Gesundheit und Langzeitpflege (OMK) im Ge-sundheitswesen und der Langzeitpflege“, den das Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gab, relativ gut. Hintergrund war ein Vergleich zwischen 25 europäischen Gesundheitssystemen. Für Behinderte gibt es aber nach wie vor Möglichkeiten, die genutzt werden sollten.
Der Deutsche Behindertenrat begrüßt die Zusammenarbeit zwischen Behindertenverbänden und Regierung. Staatliche Fördergel-der, insbesondere für die Behandlung von Schwerbehinderten, sind nach Ansicht von Dr. Martin nach wie vor dringend geboten. Auch er hofft auf politische Unterstüt-zung. Immerhin bietet die Uniklinik Frei-burg ihren Studierenden mittlerweile ein Wahlfach in der Séguin-Klinik für Menschen mit schwerer geistiger Behinderung an.
Hintergrundinfo: Deutscher Behindertenrat
Die großen Sozialverbände, die Bundesar-beitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte sowie unabhängige Behindertenverbände haben am 3. Dezember 1999, dem Welttag der Behinderten, den Deutschen Behindertenrat (DBR) in Berlin gegründet.
Damit haben sich alle wichtigen Organisationen behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, das mehr als 2,5 Millionen Betroffene in Deutschland repräsentiert. Ziel ist es, die Interessen verbandsübergreifend auf nationaler und internationaler Ebene zu vertreten, um Diskriminierungen weiter abzubauen.
Behinderte und Computer
Im Alltag sieht man zwar gelegentlich Be-hindertenparkplätze oder Treppenaufgänge, die für Rollstuhlfahrer geeignet sind. Behindertensitzplätze in Bussen und Bahnen reichen jedoch nicht aus. Behinderte brau-chen nach Ansicht viele Experten Unterstützung allen Bereichen. Selbst in der digitalen Welt! Computer sind im heutigen Alltag kaum mehr hinwegzudenken. Nicht nur im Berufsleben, sondern auch im Alltag wird zunehmend per PC kommuniziert. Behörden bieten Anwohnerparkausweise oder Feinstaubplaketten via Internet an, Reisen lassen sich online buchen und mittels E-Mail kann man rund um die Uhr kommunizie-ren. Auf diese Weise entfällt die Befürch-tung, andere zu unpassenden Zeiten anzurufen. Gerade für Personen mit Sprachbehinderungen vereinfacht der PC die berufliche und private Kommunikation erheblich. So kann ein Taubstummer problemlos mit einem anderen kommunizieren, der die Gebärdensprache nicht versteht. Doch nicht alle Webseiten sind besonders anwenderfreund-lich. Wenn sie schon gesunden Menschen Probleme bereiten, dann ist dies für Be-hinderte eine noch größere Hürde. Einfach aufgebaute Internetseiten, ohne zusätzli-che Barrieren, sind nach Expertenansicht ein erster Ansatz zur besseren Verständi-gung. Sowohl zwischen Kranken und Gesunden, als auch Kranken untereinander.
Barrierefreie Websites
Menschen mit Behinderungen stellen sich viele Barrieren im Internet. Menschen mit manuell-motorischen Einschränkungen können keine Maus benutzen. Ist die Tastatur nicht bedienbar, kann die gesamte Website nicht genutzt werden. Gehörlose brauchen Untertitel bei Akustischen Medien, zum Beispiel Video oder Audiodateien. Blinde hingegen können mit Visuellen Medien nichts anfangen. Genauere Informationen und Lösungsansätze, die sich praktisch umsetzen lassen, bietet die kostenlose Datenbank von barrierefrei–kommunizieren.de.
Der stellvertretende Vorsitzende der Bun-desarbeitsgemeinschaft Ärzte für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung sieht in den Kommunikationsschwierigkeiten von Patienten ebenfalls ein großes Problem. Aus rein medizinischer Sicht. In der individuellen Förderung sieht Dr. Martin den entscheidenden Ansatz.
Eine Kurzfassung steht unter www.basys.de zum Download zur Verfügung. Informationen über die Séguin-Klinik im Internet unter: http://www.diakonie-kork.de/d/epilepsie_kork/f-erwachsene.htm und das Diakoniezentrum und seinen Einrichtungen telefonisch unter: 07851-84-0.
Fachzeitschrift „Medizin für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung“, erhältlich unter www.edition-bentheim.de (oder telefonisch unter: 0931-23009-2395).
Weitere hilfreiche Adressen.
Arbeitslose mit Behinderung: talentplus.de
und anhaltspunkte.de
Interessenverband Personen mit Kinderlähmung: kombab.de
social-adventure.de bietet Infos über Praktikumsstellen und freiwilliges soziales Jahr
Text: Silke Schneider-Flaig
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