Zum Abschluss der Welt-Aids-Konferenz in
Washington appelliert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen an die
Regierungen, die vorgestellten wissenschaftlichen Fortschritte im
Kampf gegen HIV/Aids schnell in konkrete Programme umzusetzen. "Wir
wissen heute besser als je zuvor, wie wir HIV/Aids besiegen können.
Wir wissen, welche Medikamente gebraucht werden, mit welchen Modellen
die Therapie auch in das entlegenste Dorf gebracht werden kann und
wie wir mit frühzeitiger Behandlung Neuinfektionen verhindern
können", erklärt Oliver Moldenhauer von der Medikamentenkampage von
Ärzte ohne Grenzen in Washington. "Jetzt muss gehandelt werden - vor
allem die Regierungen sind gefordert. Wir brauchen die notwendigen
finanziellen Mittel und einen flexibleren Umgang mit Patenten, damit
die lebensnotwendige Behandlung nicht an zu teuren Medikamenten
scheitert."
Noch immer haben Millionen Menschen in ärmeren Ländern keinen
Zugang zu einer HIV-Behandlung. In der Demokratischen Republik Kongo
etwa werden nur 12 Prozent der 430.000 HIV-Infizierten behandelt, die
dringend eine lebensnotwendige Therapie benötigen. "Für die meisten
Patienten im Kongo ist HIV noch immer ein Todesurteil", sagt Anja de
Weggheleire, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen im
Kongo. "Was wir in unseren Projekten sehen, erinnert an die Zeit,
bevor es antiretrovirale Medikamente gab. Die Situation ist
verheerend."
Für weitere Fortschritte im Kampf gegen HIV/Aids werden die Preise
für neuere HIV-Medikamente immer wichtiger. Neue Arzneimittel werden
immer öfter benötigt, weil das HI-Virus gegen die bisherigen
Medikamente zunehmend Resistenzen bildet. Ein in Washington
vorgestellter Bericht von Ärzte ohne Grenzen zeigt, dass
Patentmonopole HIV-Medikamente massiv verteuern. Umso beunruhigender
ist es, dass die neueren Arzneien wesentlich häufiger patentiert
werden als die alten. Medikamente der dritten Therapielinie, die
nötig werden, wenn Resistenzen gegen die Medikamente der ersten und
zweiten Wahl auftreten, sind in den Ländern südlich der Sahara mit
mindestens 2.486 US-Dollar pro Patient und Jahr fast 15 Mal so teuer
wie die der ersten Behandlungslinie. In einigen Ländern, wie etwa in
Indien, sind sie sogar nochmals weitaus teurer.
"Deswegen unterstützen wir es ausdrücklich, wenn Länder die
Regelungen im Patentrecht nutzen, um die Produktion von Generika auch
ohne Zustimmung der Originalhersteller zu ermöglichen. Diese
sogenannten Zwangslizenzen sind ein wichtiges Instrument, wenn
lebenswichtige Medikamente sonst nicht bezahlbar sind", erklärt
Moldenhauer.
Ärzte ohne Grenzen behandelt 220.000 HIV/Aids-Patienten in 23
Ländern.
Der Bericht "Untangling the Web of Antiretroviral Price
Reductions" kann heruntergeladen werden unter:
http://aids2012.msf.org/reports oder
http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/g7
Oliver Moldenhauer steht in Washington für Interviews zur
Verfügung. Fotos und Videomaterial können zur Verfügung gestellt
werden.
Pressekontakt:
Stefan Dold, 030 700 130 239, 0163 765 8104,
stefan.dold@berlin.msf.org