Fünf Prozent der Beschäftigten in Deutschland
wurden am Arbeitsplatz schon einmal gemobbt oder schikaniert, so die
Techniker Krankenkasse (TK) in Bezug auf eine Studie von Eurofound.
Die Frage "Wurden Sie im vergangenen Monat verbal beleidigt?"
beantwortete in der europaweiten Befragung jeder achte Bundesbürger
mit "Ja". Und 4,3 Prozent bestätigten, dass sie am Arbeitsplatz sogar
Drohungen und erniedrigendem Verhalten ausgesetzt sind.
Wo Menschen über viele Stunden zusammenarbeiten, gibt es
Reibungspunkte und Auseinandersetzungen. "Das ist normal", sagt Heiko
Schulz, Diplom-Psychologe bei der TK. "Kritisch aber wird es, wenn
ein Mitarbeiter systematisch, über einen längeren Zeitraum
schikaniert wird - mit dem Effekt, diese Person rauszukicken." Zur
Zielscheibe kann jeder werden. Typische Charaktereigenschaften, die
einen Menschen zum bevorzugten Mobbing-Opfer machen, gibt es laut
Schulz nicht. Der zielgerichtete Terror kann zwischen Kolleginnen und
Kollegen stattfinden, von Vorgesetzten ausgehen oder von
Mitarbeitern, die ihre Chefs mobben. In etwa der Hälfte aller Fälle,
so der Mobbingbericht der Bundesregierung, sind Vorgesetzte an diesen
Prozessen beteiligt.
"Gemobbt wurde zwar immer schon, doch die Vehemenz und Intensität
ist stärker geworden. Die Konkurrenz schläft nicht, der
wirtschaftliche Druck auf manche Unternehmen ist groß. Das schafft
tendenziell ein raues Betriebsklima, erzeugt Verunsicherung und
Stress bei den Mitarbeitern", erklärt Schulz. Wer gemobbt wird,
leidet körperlich und psychisch. Am Anfang reagieren die Betroffenen
mit Beschwerden wie Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen
und Verspannungen auf den Stress. Im fortgeschrittenen Mobbingstadium
können dann ernsthafte Erkrankungen hinzukommen wie etwa Migräne,
Angstzustände, Tabletten- oder Alkoholabhängigkeit, Depressionen und
Herz-Kreislauf-Probleme.
Auch dem Unternehmen schadet Mobbing, unter anderem durch erhöhte
Krankenstände, Qualitätsverlust, hohe Mitarbeiterfluktuation und ein
schlechtes Betriebsklima. Gemobbte Arbeitnehmer reagieren vielfach
mit innerer Kündigung, dadurch bleibt ihr Potenzial am Arbeitsplatz
unausgeschöpft.
Doch gegen Mobbing lässt sich etwas unternehmen. "Das üble
Geschwür Mobbing kann sich immer dann bequem einnisten und
unkontrolliert wachsen, wenn es keine Gesprächskultur im Betrieb
gibt. Eine gute innerbetriebliche Kommunikation ist also ein
wichtiger Bestandteil der Prävention", sagt Schulz. Die
Berufsgenossenschaften unterstützen durch Betriebsberatung und bieten
Mobbingprävention durch Seminare für Führungskräfte und Betriebsräte
an.
"Betroffene sollten ihren Mobber möglichst frühzeitig zur Rede
stellen. Führt das nicht zur Klärung des Konfliktes, kann man den
direkten Vorgesetzten einweihen. Ist er selbst der Täter, wendet man
sich an dessen Vorgesetzten oder den Betriebsrat", rät der
Diplom-Psychologe. Für die Intervention in konkreten Mobbingfällen
ist jedenfalls der Arbeitgeber verantwortlich. In manchen Firmen gibt
es einen Konfliktmanager, einen internen Anti-Mobbingbeauftragten
oder das Angebot einer externen Mitarbeiterberatung. Falls nicht,
kann man sich an einen externen professionellen Mediator wenden, der
unparteilich sein muss. Mobbingberatungsstellen befinden sich
inzwischen in jeder größeren Stadt.
Für den Fall, dass es später doch zu einem Arbeitsgerichtsprozess
kommt und man beweisen muss, dass man tatsächlich gemobbt wurde,
hilft ein "Mobbingtagebuch". Jeder Vorfall mit Uhrzeit, Ort und
gegebenenfalls anwesenden Zeugen werden darin dokumentiert. Die
Aufzeichnungen helfen auch, um im Gespräch mit einem Berater
schneller auf den Punkt zu kommen.
Eine sorgfältige Analyse ist wichtig, um die Lage realistisch
überblicken zu können: Welche Ursachen liegen zugrunde, wer sind die
handelnden Personen, welche Interessen stecken hinter dem Konflikt,
hat man selbst Anteil daran? "Möglicherweise ist man ja auch gar
nicht persönlich gemeint, sondern fungiert eher als Blitzableiter für
eine allgemein schlechte Stimmung im Team", gibt Schulz zu bedenken.
Und natürlich muss das Ziel definiert werden: Was will ich? Die
Situation verändern und den Arbeitsplatz behalten oder eine Abfindung
erhalten und erhobenen Hauptes gehen?
"Manchen Betroffenen hilft eine Psychotherapie, um den Konflikt zu
bearbeiten. Auch das Gespräch mit anderen Betroffenen in
Selbsthilfegruppen ist wertvoll", sagt Schulz. "Wichtig ist, dass man
sich nicht rund um die Uhr von dem Thema gefangen nehmen lässt.
Gerade in dieser belastenden Situation kommt es darauf an, Dinge zu
tun, die Spaß machen, ablenken und den Blickwinkel verändern."
Die TK bezieht sich auf die Ergebnisse der Europäischen Erhebung
über Arbeitsbedingungen (EWCS) 2010 von Eurofound.
Hinweis für die Redaktion:
Weitere Informationen rund um das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz
enthält der TK-Medienservice "Gesund arbeiten, besser leben", der
unter www.presse.tk.de mit Fotos und Infografiken zum kostenlosen
Download steht.
Pressekontakt:
Aurelia Nehr, TK-Pressestelle
Tel. 040-6909-1713
E-Mail: aurelia.nehr@tk.de