Berlin/Chennai, 3. September 2012. Das Pharmaunternehmen Bayer hat Widerspruch gegen die Entscheidung des indischen Patentamtes für eine Zwangslizenz des Krebsmedikamentes Nexavar® eingelegt. Am Montag hat vor dem Intellectual Property Appellate Board im indischen Chennai die Verhandlung begonnen. Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert das Verfahren. "Der Einspruch von Bayer ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar", sagt Philipp Frisch von der Medikamentenkampagne der Organisation. "Eine Zwangslizenz ist keine Enteignung, sondern ein im internationalen Handelsrecht der Welthandelsorganisation verankertes Instrument, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Darauf haben sich alle Mitgliedstaaten der WTO geeinigt. Darüber hinaus erhält Bayer Lizenzgebühren."
Das indische Patentamt hatte dem indischen Generikahersteller Natco im März dieses Jahres eine Zwangslizenz zur Produktion des in Nexavar® enthaltenen Wirkstoffes Sorafenib Tosylate für die nächsten acht Jahre zugesprochen, weil Bayer es versäumt hatte, sein Medikament in ausreichender Menge und zu einem erschwinglichen Preis in Indien anzubieten. Der Preis sank dadurch um 97 Prozent. Natco zahlt dafür eine Lizenzgebühr in Höhe von sechs Prozent der Verkaufserlöse. Damit wurde in Indien zum ersten Mal eine Zwangslizenz für ein patentiertes Medikament erlassen.
"Dies ist ein richtungsweisender Schritt für den Zugang zu erschwinglichen lebensrettenden Medikamenten, auch für HIV/Aids-Patienten", so Frisch. "Viele neuere HIV/Aids-Medikamente sind heute als Folge des Patentschutzes für die meisten Menschen, die sie bräuchten, noch unerschwinglich. Macht die Entscheidung des indischen Patentamtes Schule, könnten bald auch diese von Generikaproduzenten zu einem Bruchteil des Originalpreises produziert werden."
Indien ist einer der bedeutendsten Generikahersteller weltweit. Die "Apotheke der Armen" versorgt sowohl zahlreiche Gesundheitsprogramme in armen Ländern als auch zahlreiche Organisationen mit kostengünstigen generischen Medikamenten. Mehr als 80 Prozent der Aidsmedikamente, mit denen Ärzte ohne Grenzen weltweit 220.000 Patienten in ärmeren Ländern behandelt, sind günstige Nachahmerpräparate aus Indien.
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