fit und munter - juravendis Rechtsanwälte ++ BMG-Änderungsentwurf zum Medizinprodukterecht

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juravendis Rechtsanwälte ++ BMG-Änderungsentwurf zum Medizinprodukterecht

Das Bundesgesundheitsministerium hat am 17.12.2008 einen Referentenentwurf zur Änderung der gesetzlichen Regelungen für Medizinprodukte hervorgebracht. Der Entwurf sieht als einen zentralen Punkt vor, dass klinische Prüfungen von Medizinprodukten künftig einer Genehmigungspflicht unterliegen.
Mit dem Gesetzesentwurf wird weitgehend EG-Recht in deutsches Recht umgesetzt. Die notwendigen Änderungen im Medizinproduktegesetz (MPG) sowie in verschiedenen Rechtsverordnungen für Medizinprodukte (beispielsweise Medizinprodukte-Verordnung, Medizinprodukte-Betreiberverordnung) ergeben sich insbesondere aus der Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/47/EG. Zudem werden Anpassungen im Bereich der Vorschriften, die die Überwachung betreffen, vorgenommen. Diese Anpassungen beruhen auf den Vorgaben der Verordnung 765/2008/EG über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93.

1. Klinische Prüfungen für Medizinprodukte

Durch das MPG-Änderungsgesetz soll das Medizinprodukterecht an die grundsätzlichen Anforderungen an klinische Prüfungen bei Arzneimitteln angepasst werden. Mit der Richtlinie 2007/47/EG wurde klargestellt, dass für jedes Medizinprodukt eine klinische Bewertung durchgeführt werden muss. Für Medizinprodukte der Klasse 3 und für implantierbare Medizinprodukte müssen darüberhinaus klinische Prüfungen durchgeführt werden.

Um die vorhandene Zersplitterung der Zuständigkeiten und die damit verbundene ungleiche Bewertungsqualität von klinischen Prüfungen zu beseitigen, soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die zentrale Anlaufstelle für klinische Prüfungen bei Medizinprodukten werden. Bisher müssen klinische Prüfungen für Medizinprodukte lediglich bei den zuständigen Landesbehörden angemeldet werden. Dagegen sieht der Änderungsentwurf vor, dass mit klinischen Prüfungen künftig erst nach einer zentralen Genehmigung des BfArM begonnen werden darf. Das BfArM muss eine Bewertung des Genehmigungsantrags innerhalb von 30 Tagen vornehmen (ansonsten gilt die Genehmigung als erteilt). Neben der Genehmigung durch das BfArM benötigt der Sponsor künftig auch eine zustimmende Stellungnahme durch eine nach Landesrecht gebildete zuständige Ethikkommission, die parallel beantragt werden kann und die binnen 60 Tagen vorliegen soll. Für den Beginn einer klinischen Prüfung wird eine positive Stellungnahme einer Ethikkommission zwingend erforderlich sein. Explizit wird zudem geregelt, dass Sponsoren von klinischen Prüfungen die Meldung aller schwerwiegenden und unerwünschten Ereignisse beim BfArM zu melden haben.

2. Marktbeobachtung

Zur Verbesserung der Patientensicherheit werden Hersteller künftig verpflichtet, eine systematische Marktbeobachtung durchzuführen und die zuständigen Behörden über bekannt gewordene Vorkommnisse zu unterrichten. Auch bei der Eigenherstellung soll eine systematische Marktbeobachtung erfolgen.

3. Klassifizierung von Medizinprodukten, Abgrenzung zu anderen Produktgruppen

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Medizinproduktehersteller und einer benannten Stelle über die Klassifizierung von Medizinprodukten und Abgrenzung zu anderen Produktgruppen wird künftig das BfArM zu entscheiden haben. Bisher wurde die Einstufung von den Landesbehörden vorgenommen, was zu unterschiedlichen Auslegungen des Medizinprodukterechts führte. Durch die Zentralisierung beim BfArM soll es nun zu einer bundeseinheitlichen Auslegung kommen.

4. Benannte Stellen

Mit der Verordnung 765/2008/EG wird der Begriff der „Akkreditierung“ inhaltlich neu beschrieben. Die dort aufgeführte Definition unterscheidet sich wesentlich von der mit dem Begriff „Akkreditierung“ im Medizinproduktegesetz zugeordneten Definition. Daher wird der Begriff der „Akkreditierung“ in den §§ 15 und 16 MPG gestrichen. Entscheidend für die Benennung einer benannten Stelle soll sein, dass die deutsche benannte Stelle von der zuständigen Behörde in einem Benennungsverfahren als benannte Stelle anerkannt wird.

5. Überwachung durch Landesbehörden

Die Überwachung der medizinprodukterechtlichen Vorschriften, auch der klinischen Prüfungen, ist nach wie vor Sache der Länder. Allerdings sind nach den Befunden des Ministeriums Unterschiede in der Intensität der Überwachung zu verzeichnen. Um sich einer bundeseinheitlichen Vorgehensweise anzunähern, sieht der Entwurf daher die Ermächtigung zum Erlass einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Qualitätssicherung der Überwachung vor.

6. Sonderanfertigungen, Eigenherstellung von In-Vitro-Diagnostika

Aufgrund der Vorgaben der Richtlinie 2007/47/EG wird auch die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPV) ergänzt. In die MPV wird zusätzlich eine detaillierte Beschreibung für die Pflichten der Hersteller von Sonderanfertigungen und für die Eigenherstellung von In-Vitro-Diagnostika aufgenommen.

7. Software

Nach dem Entwurf wird der Begriff „Software“ aus der Definition für „Zubehör“ in Anpassung an die entsprechende Definition der Richtlinie 93/42/EG gestrichen. Software ist nunmehr dann ein Medizinprodukt, wenn sie spezifisch vom Hersteller für einen der in der Definition für Medizinprodukte genannten medizinischen Zwecken bestimmt ist. Damit können Hersteller von spezifischen diagnostischen oder therapeutischen Softwareprogrammen (z. B. Bildungsauswertungsprogramme, Therapieplanungsprogramme etc.) künftig ihre Produkte als Medizinprodukte in den Verkehr bringen. Dagegen wird klargestellt, dass Software für allgemeine Zwecke (Textverarbeitungsprogramme, Tabellenkalkulation, Betriebssysteme etc.) kein Medizinprodukt ist, auch wenn sie im Zusammenhang mit der Gesundheitspflege genutzt wird.

8. Einfuhr von Medizinprodukten

Nach der Richtlinie 2007/47/EG müssen Hersteller, die ihren Sitz nicht in der EU (oder in einem Land/Region mit dem die EU ein gegenseitiges Anerkennungsabkommen abgeschlossen hat) haben, einen Bevollmächtigten für ihre Produkte benennen. Anderenfalls sind die Produkte in der EU nicht verkehrsfähig. Im MPG soll nun auch der in der Praxis durchaus mögliche Fall erfasst werden, dass CE-gekennzeichnete Produkte, für die auch ein Bevollmächtigter ordnungsgemäß benannt wurde, außerhalb der EU in die Handelskette gelangen und von einem Einführer ohne Wissen des Herstellers oder des Bevollmächtigten in Deutschland in Verkehr gebracht werden. In diesen Fällen ist der Einführer verantwortlich für das Inverkehrbringen. Er hat damit die entsprechenden Pflichten und Anforderungen (z. B. Marktbeobachtung, Mitwirkung bei korrektiven Maßnahmen, Meldepflichten etc.) zu erfüllen.

9. Konformitätsbewertungsstellen für Drittländer

Zwischen der EU und mehreren Drittstaaten bestehen Abkommen, die eine gegenseitige Anerkennung von Ergebnissen von Konformitätsbewertungsstellen der jeweiligen Länder zum Ziel haben. Im Rahmen dieser Abkommen werden in der EU und in dem Drittstaat Konformitätsbewertungsstellen benannt, die die grundsätzliche Verkehrsfähigkeit oder Teilaspekte davon für den jeweiligen Partnermarkt beurteilen dürfen. Die Ergebnisse dieser Beurteilungen werden grundsätzlich von den Vertragspartnern anerkannt. Im MPG sollen nun die Voraussetzungen für Konformitätsbewertungsstellen für Drittstaaten geregelt werden.

10. CE-Kennzeichnung

Im MPG wird klargestellt, dass andere Kennzeichen als das CE-Kennzeichen nur angebracht werden dürfen, sofern die Sichtbarkeit, Lesbarkeit und Bedeutung der CE-Kennzeichnung nicht beeinträchtigen. Unter diesen Voraussetzungen dürfen andere Kennzeichen verwendet werden, sofern sie zur Verbesserung des Verbraucherschutzes beitragen und diese Kennzeichnung nicht von gemeinschaftlichen Harmonisierungsrechtsvorschriften erfasst werden.

11. Abgabe von In-Vitro-Diagnostika zur Erkennung von HIV-Infektionen zur Eigenanwendung

Die Abgabe von In-Vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung als Heimtest bei HIV-Infektionen soll vor dem Hintergrund verboten werden, dass die Endanwender als medizinische Laien in der Regel nicht über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen.

12. Der zeitliche Rahmen

Die Richtlinie 2007/47/EG war bereits bis spätestens zum 21.12.2008 durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen und ist zum 31.03.2010 in Kraft zu setzen. Diesen Termin wird der deutsche Gesetzgeber vorrausichtlich nicht einhalten können, jedoch ist davon auszugehen, dass noch in diesem Jahr die Verabschiedung der Novellierung erfolgen wird, ggf. mit einigen Übergangsfristen.

Fazit

Der vom BMG hervorgebrachte Referentenentwurf bringt insbesondere im Bereich der klinischen Prüfungen gewichtige Änderungen mit sich. Im Grundsatz ist die Zentralisierung beim BfArM zu begrüßen, weil sie für mehr Rechtssicherheit bei den betroffenen Unternehmen sorgen dürfte. Gleiches gilt für die zentrale Klärung von Abgrenzungsfragen, die Unternehmen und Behörden in der Praxis immer wieder vor scheinbar unlösbare Aufgaben stellen. Zu beachten ist, dass der Entwurf eine Reihe weiterer Detailregelungen beinhaltet, mit denen sich die Betroffenen bereits im Vorfeld genauestens auseinandersetzen sollten.
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