Es ist der erste Arbeitstag von Martin P. in seinem alten Unternehmen. Mehr als ein halbes Jahr war er nicht mehr hier. Sein Burnout - auch "allgemeines Erschöpfungssyndrom" genannt - hatte ihn aus seinem scheinbar selbstverständlichen Arbeitsalltag herausgerissen. Nun kehrt er in seinen Kollegenkreis zurück. Die Kollegen sind sehr froh darüber, dass Martin endlich wieder da ist, denn die Stelle konnte vertretungsweise nicht aufgefangen werden. Auch sein Chef Ludwig K., den er seit seiner Erkrankung nicht mehr gesprochen hat, ist sehr erfreut: "Spitze, Martin, dass Du wieder mit an Bord bist. Da können wir mit neuem Elan wieder loslegen!", so sein Chef. Martin lächelt und grübelt: "So habe ich mir die Rückkehr nach meiner Krankenzeit aber nicht vorgestellt. Hoffentlich kann ich die Erwartungen erfüllen". Der Chef zeigt wenig Verständnis für eine langsame Einarbeitungszeit, schließlich ist Martin ja auch kein neuer Mitarbeiter. Einem Gespräch mit Martin geht er aus dem Weg. Später wird er zur Personalabteilung sagen: "Ich wusste ja gar nicht, was ich in einem solchen Gespräch fragen bzw. sagen darf". Und über die Hintergründe des Burnouts seines Mitarbeiters wollte er besser nichts fragen! Martin wird sagen, dass er bei dieser Führungskraft nicht mehr arbeiten wolle, weil sie so uninteressiert an seiner Person sei. Er meldet sich nach kurzer Zeit wieder krank und lässt anklingen, dass er das Unternehmen langfristig auch verlassen wolle. Das schmerzt, da er ein guter Facharbeiter ist. Martins Situation ist kein Einzelfall.
Gerade die psycho-soziale Dimension von Mitarbeitergesundheit als sensibles Führungsthema ist bisher in Unternehmen wenig behandelt worden. Laut einer Studie der Initiative "Neue Qualität der Arbeit" (2010) sind psychische Leiden von Arbeitnehmern in 39% der Fälle auf die Arbeit zurückzuführen und zu einem erheblichen Teil von der Führungsqualität abhängig. Verstärkt sich die Zufriedenheit mit dem Führungsstil wird deren Gesundheit - trotz hoher Arbeitsbelastung - überproportional verbessert, so der finnische Arbeitswissenschaftler Prof. Juhani Ilmarinen. Unbefriedigende Anerkennung und fehlende Wertschätzung am Arbeitsplatz erhöhen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit erheblich. Etwa fünf Prozent der Arbeitnehmer erkranken länger als sechs Wochen im Jahr, so die aktuellen Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA).
Doch was geschieht überhaupt im Fall einer dauerhaften Erkrankung von Mitarbeitern? Wie kann die Wiedereingliederung gelingen? Und welche Pflichten fallen auf den Arbeitgeber und die Führungskraft ab?
Fakt ist: Führungskräfte können Auffälligkeiten feststellen und diese unter vier Augen ansprechen - hier dürfen sie ihre Wahrnehmungen äußern und Fragen zur Krankheit und deren Ursachen stellen. Darauf antworten muss der Arbeitnehmer nicht! Die Führungskraft darf keine Diagnose erstellen, dies ist die Aufgabe eines Arztes. Besonders bei längeren Krankheitszeiten ab sechs Wochen sollte die Führungskraft ein freiwilliges Gespräch anbieten mit dem Ziel Unterstützungsmöglichkeiten für den Mitarbeiter zu finden. Auch ist für den Arbeitgeber zentral, ob die Ursachen der Krankheit im betrieblichen Kontext liegen. Welche Frage der Arbeitnehmer in jedem Fall offen beantworten muss, ist, in welchem Bereich es zu Einschränkungen kommen könnte, z.B. wenn er nicht schwer heben darf. Wenn der Führungskraft später nachgewiesen wird, dass der Zustand des Mitarbeiters wahrgenommen, aber nicht gehandelt wurde, kann sie dafür zur Verantwortung gezogen werden. Nach mehreren Gesprächen ohne Veränderung sollte ein Vertreter des Personalmanagements und später der Betriebsarzt einbezogen werden. Das Entgeltfortzahlungsgesetz regelt in solch einem Fall die finanzielle Situation, allerdings nicht ohne Einbußen für den Mitarbeiter. Sechs Wochen lang zahlt der Arbeitgeber das Krankengeld, danach springen die Krankenkassen ein. Sie zahlen 70 Prozent des beitragspflichtigen Bruttoeinkommens, höchstens aber 90 Prozent des Nettoeinkommens.
Wie hätte nun ein idealer Eingliederungsprozess von Martin aussehen können? Zunächst sollte die Führungskraft für das Gespräch mit dem "Rückkehrer" vorbereitet und sensibilisiert werden. Es macht Sinn darüber hinaus auch das Team vorzubereiten, so dass Tipps und Bemerkungen wie "Na, hast Du Dir mal eine Auszeit gegönnt?" nicht zum Konflikt führen. Im Gespräch zwischen Martin und der Führungskraft, sowie idealerweise einer Vertretung aus dem Personalbereich, steht ein Plan für die langsame Wiedereingliederung im Vordergrund. Rechtlich gesehen haben kranke Mitarbeiter seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2009 ein Anrecht auf betriebliche Wiedereingliederung (siehe § 84 Abs. 2 SGB IX). Das heißt, die Unternehmen sind verpflichtet, ein Wiedereingliederungsmodell ins Leben zu rufen, mit dem Ziel, die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu überwinden und der erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.
Die Wiedereingliederung läuft meist in Absprache mit dem behandelnden Arzt, der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Art der möglichen Tätigkeiten sowie die täglich verantwortbare Arbeitszeit angeben muss. Der Mitarbeiter ist allerdings nicht verpflichtet das Modell anzunehmen. Die Ablehnung eines Gesprächsangebotes oder des Besuchs beim Betriebsarzt kann hingegen zum Arbeitsplatzverlust führen. Nach einer Abwesenheit von mehr als sechs Wochen hat der Mitarbeiter prinzipiell keinen Anspruch mehr auf seinen alten Arbeitsplatz. Er hat das Recht auf einen "adäquaten" Arbeitsplatz ohne finanzielle Abstriche. Jeder Mitarbeiter kann auch einen Antrag auf eine Teilzeitstelle stellen - wo es geht, muss der Arbeitgeber dies ermöglichen.
In diesen ersten Tagen ist es wichtig, die Erkenntnisse, die der Mitarbeiter aus seiner Krankheitszeit für die Arbeitsstelle gezogen hat, zu hören und nach Möglichkeit in das Einarbeitungsmodell zu integrieren. Martin zum Beispiel hätte sich lediglich einen ruhigeren Einstieg gewünscht, um langfristig wieder die normale Belastung tragen zu können. Er hatte sogar in der Klinik Aufstiegsziele in Erwägung gezogen. Nun hat er sich anders umgeschaut.
So kann der Prozess einer missglückten Wiedereingliederung zu einem aufwändigen und teuren Prozess werden.