Berlin. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, schrieben für das FDP-Mitgliedermagazin "elde" (aktuelle Ausgabe) die folgenden Gastbeiträge zum Thema "Brauchen wir ein neues Gesetz zur Strebehilfe?":
Pro
Das Strafrecht hat sich zurückzuhalten
Von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Wenn die Politik sich mit der Frage beschäftigt, wie wir leben wollen, darf sie das Ende des Lebens nicht aussparen. Dabei ist kaum eine Frage so umstritten wie die Sterbehilfe, denn sie ist verbunden mit moralisch-ethischen Grundentscheidungen.
Zugleich gilt, dass das Lebensende jedes Menschen so einzig ist, wie das Leben selbst es war: Deshalb gilt gerade für uns Liberale auch hier, dass der Staat sich zurückhalten, die Selbstbestimmung so wenig wie möglich eingrenzen sollte.
Wir Liberale wollen das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen so wenig wie möglich einschränken. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Sterbehilfe, der den Koalitionsvertrag umsetzt, wird eine Grenze gesetzt. Nur die gewerbsmäßige Hilfe zum freiverantwortlichen Suizid soll unter Strafe gestellt werden. Das bedeutet zwar: Wer sterben möchte, dem wird damit diese Möglichkeit genommen. Er kann sich nicht mehr von jemandem helfen lassen, der damit Geld verdient.
Das neue Verbot ist aber vertretbar, weil es auf diejenigen zielt, die die Suizidhilfe als Erwerbsmodell praktizieren. Das Geschäft mit dem Tod ist abstoßend. Das Gesetz verhindert, dass es salonfähig wird.
Sollen aber auch all jene bestraft werden, die nach jahrzehntelangem Zusammenleben dem geliebten, todkranken und schwer leidenden Partner auch auf dem Weg zum gewerblich handelnden Sterbehelfer beistehen? Die Ehe- und Lebenspartner, die engen Freunde, die ihn etwa in die Praxis des Berufssterbehelfers bringen? Ich meine, das widerspräche liberalen Grundüberzeugungen. Denn solche Grenzsituationen am Ende des Lebens sind ohnehin schon schwierig genug. Das Strafrecht hat sich zurückzuhalten. So steht es auch in dem Gesetz, das die Bundesregierung gerade auf den Weg gebracht hat. Von Strafbarkeit ausgenommen werden sollen daher nahe Angehörige und enge Freunde. Für sie gibt es im Strafgesetzbuch auch in anderen Bereichen vergleichbare Strafeinschränkungen.
Contra
Der Mensch soll nicht durch die Hand des Menschen sterben
Von Joachim Kardinal Meisner
Die Selbstbestimmung des Menschen endet erst mit seinem Tod - daher gilt es, ihm "ein menschenwürdiges Leben bis zuletzt [zu] ermöglichen" (Karlsruher Freiheitsthesen, 2012, n. 62). In Deutschland jedoch meint man inzwischen ernstlich, man dürfe an einen lebenden, wenn auch kranken Menschen Hand anlegen. Der Lebensschutz wurde in den letzten Jahren sukzessiv ausgehöhlt - bis hin zu der Bereitschaft, den Leidenden abzuschaffen statt des Leidens.
Kein Mensch möchte gerne sterben. Die Bitte um Sterbehilfe ist erfahrungsgemäß ein Schrei danach, den Schmerz, die Einschränkungen, auch die Angst und das Gefühl von Sinnverlust und Einsamkeit zu beenden. Gegen solche Bedrohungen müssen wir vorgehen, wenn wir das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen wirklich bis zu seinem Ende schützen wollen.
Aktive Sterbehilfe beendet die menschliche Autonomie und ist deshalb keineswegs "menschlicher" als Sterbebegleitung. Das Recht, bewusst und willentlich den Tod eines Menschen herbeizuführen, darf es deshalb grundsätzlich nicht geben.
Wir müssen danach streben, jedem Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Dazu bieten sich die weit fortgeschrittenen Methoden an, Schmerzen auszuschalten, auch wenn dies unter Umständen das Leben des Patienten verkürzt. Ebenso wichtig sind Zuwendung, Gelegenheit zu bewusstem Abschied und eine haltende Hand, wenn die Todesnähe ängstigt. Das erfordert Zeit, persönlichen Einsatz und Geduld - kurz: Menschlichkeit angesichts von Menschenwürde, die auch dem Sterbenden zukommt. Der Mensch soll an der Hand des Menschen sterben - nicht durch seine Hand.
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