Noch vor der parlamentarischen Sommerpause hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für das neue Patientenrechtegesetz gebilligt. Das neue Gesetz wird im Januar 2013 in Kraft treten. Für die praktizierenden Ärzte bedeutet es vor allem: noch mehr Bürokratie. Dies befürchtet auch der Bayerische Hausärzteverband, darüber hinaus sieht er das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet.
Der 115. Deutsche Ärztetag begrüßt zwar das Vorhaben der Bundesregierung, befürchtet aber ebenfalls ausufernde Dokumentations- und Aufklärungspflichten. "Das bindet wertvolle Zeit, die primär für die Behandlung genutzt werden sollte", so der Ärztetag. Die Stuttgarter Rechtsanwältin Petra Vetter, Fachanwältin für Medizinrecht und Lehrbeauftragte der Universität Ulm, sieht dringenden Beratungsbedarf auf Seiten aller Behandler. Insbesondere Kliniken, in denen Ärzte bei den einzelnen Behandlungsschritten ohnehin nur über enge Zeitfenster verfügen, stünden vor einer zusätzlichen Belastung, so Vetter.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten - das Patientenrechtegesetz - nach jahrzehntelanger Diskussion zum 01.01.2013 in Kraft treten. Erklärtes Ziel ist es, die Patientenrechte zu stärken und so das Informationsgefälle zwischen Behandelnden und Patienten auszugleichen. Der vorliegende Gesetzentwurf bündelt dazu erstmalig das Behandlungs- und Arzthaftungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch. Bislang war hier Wesentliches nicht im Gesetz geregelt, sondern es existierte nur Richterrecht auf Basis vereinzelter Normen. Zur Förderung einer Fehlervermeidungskultur sollen jetzt unter anderem die ärztlichen Dokumentationspflichten verschärft und die Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlern auf Seiten der Patienten verbessert werden.
So ist die Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern sowie für Fälle sogenannter unterlassener Befunderhebung erstmals nun auch im Gesetz festgehalten: Im Streitfall müsste der Arzt den Nachweis erbringen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht erfolgreich gewesen wäre, konkretisiert die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Weitere wesentliche Neuerungen für Ärzte: Noch detaillierter als bisher müssen sie ihre Patienten über wesentliche Umstände der geplanten Behandlung aufklären. Darüber hinaus müssen sie grundsätzlich auch über eigene Behandlungsfehler Auskunft erteilen, wenn die Patienten danach fragen.
"Wie realistisch Letzteres ist, muss sich in der Praxis erst noch zeigen", wendet dagegen Petra Vetter ein. Nicht nur gingen die Meinungen, was ein Behandlungsfehler und was ein bloßer schicksalhafter Verlauf sei, naturgemäß auseinander. Auch würde ein Arzt, der dieser Hinweispflicht folgt, den möglichen Startschuss für ein Strafverfahren gegen sich selbst abgeben. "Es drohen dann aber auch unter Umständen zivilrechtliche Konsequenzen", gibt sie weiter zu bedenken. Die Haftpflichtversicherungen hätten zum Teil jedenfalls vorgesorgt: So riskieren Ärzte, die im Gespräch mit Patienten eindeutige Geständnisse machen, ihren Versicherungsschutz für Schadensersatzforderungen. Nichtsdestoweniger sind Kranken- und Pflegekassen nach dem neuen Gesetz sogar verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu unterstützen.
Nachdem die Anzahl klagender Patienten in den letzten Jahren schon deutlich zugenommen hat, rechnet Petra Vetter mit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes dementsprechend mit einem weiteren Anstieg. Galten Lücken in den Dokumentationen der Mediziner schon bisher als mögliche Beweiserleichterung für klagende Patienten, werde sich dieses Problem mit den zusätzlichen Dokumentationspflichten noch verschärfen, befürchtet die Anwältin.
Bereits jetzt können Patienten über eine Aufklärungsrüge versuchen, den Arzt in die Haftung zu nehmen. Mit der Gesetzesänderung wird dies noch leichter als bisher möglich sein.
Für die Ärzte ist es besonders wichtig, sich über die Begrifflichkeiten klar zu sein, um sich für Patientennachfragen zu rüsten. Was stellt genau einen Behandlungsfehler, was einen groben Behandlungsfehler dar? Welche Untergruppierungen gibt es? Um sich selber zu schützen und abzugrenzen, wird die Behandlerseite nicht umhinkommen, sich hier mit rechtlichen Details vertraut zu machen.
Eines ist sicher: Mit dem Gesetz entstehen ernstzunehmende neue Pflichten. Deren Kenntnis und Beachtung liegt im Eigeninteresse eines jeden Behandlers.
Hintergrundinformation zur Person
Petra Vetter ist in ihrer spezialisierten Kanzlei seit 1996 bundesweit erfolgreich auf dem Gebiet der Arzthaftung tätig. Im Rahmen ihrer Schulungs- und Fortbildungsangebote, die die erfahrene Rechtsanwältin schon seit Jahren anbietet, informiert sie Ärzte und Entscheidungsträger über wesentliche Rechtsaspekte der Gesetzesnovelle und klärt umfassend über Chancen und Risiken des Patientenrechtegesetzes auf. In Einzelmodulen und Ganztagesschulungen, je nach Wahl und Bedürfnis des Interessenten, stellt Petra Vetter die neuen gesetzlichen Regelungen vor und vermittelt die spezifischen Inhalte praxisnah anhand konkreter Fallbeispiele.
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