BPtK-Präsident Richter befürchtet "katastrophale
Verschlechterung" / Verbraucherschützer: "Schmutziger Deal" zu Lasten
psychisch Kranker
Trotz massiven Therapeutenmangels in Deutschland droht von 2013 an
der Abbau jeder vierten psychotherapeutischen Praxis. Davor warnt der
Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Prof. Rainer
Richter, im ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute Abend, 23.
Oktober, 21.45 Uhr in Das Erste). Rund 5.700 von 23.000
psychotherapeutischen Praxen könnten nach dem
Versorgungsstrukturgesetz ab Januar 2013 stillgelegt werden. Im
Interview sagte Richter: "Im städtischen Bereich droht eine
katastrophale Verschlechterung der Versorgung, weil bis zu 5.700
Kassensitze ab nächstem Jahr abgebaut werden können. Dagegen lehnen
wir uns auf. Denn die psychisch Kranken, die Behandlungsplätze
suchen, werden ab nächstem Jahr noch schlechter versorgt werden."
Mit dem Versorgungsstrukturgesetz verfolgt die Bundesregierung das
Ziel, die medizinische Versorgung insbesondere auf dem Land zu
verbessern. Hintergrund sind Wartezeiten von durchschnittlich bis zu
19 Wochen auf den Beginn einer Psychotherapie. Das Gesetz
verpflichtet den Gemeinsamen Bundesausschuss, den Bedarf an
Psychotherapeuten bis zum Ende des Jahres neu zu berechnen. Nach
Recherchen von "Report Mainz" haben sich Krankenkassen (GKV-S) und
Ärztevertreter (KBV) jedoch schon im Vorfeld bei den aktuellen
Honorarverhandlungen der Ärzte darauf verständigt, die Zahl
zusätzlicher Praxen für Psychotherapeuten zu deckeln. "Report Mainz"
liegt das vertrauliche Eckpunktepapier vor, in dem es wörtlich heißt,
zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten für Psychotherapeuten würden
"auf höchstens 1.150 begrenzt".
Diese Abmachung kritisieren der Verbraucherzentrale Bundesverband
(vzbv) und die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gegenüber "Report
Mainz" in scharfer Form: Dr. Ilona Köster-Steinebach,
vzbv-Gesundheitsexpertin, erklärte im Interview: "Das, was da
gelaufen ist, ist ein ausgesprochen schmutziger Deal. Diese Zahl von
1.150 ist durch nichts belegt. Wir glauben, dass sie deutlich zu
niedrig ist, weil wir sehr lange Wartelisten sehen, viele Menschen,
die Bedarf haben an Psychotherapie. Und man hat da im Gremium einfach
festgelegt, was man bereit ist zu bezahlen, und auf die Interessen
der Patienten einfach keine Rücksicht genommen." Aus Sicht der
Verbraucherschützer machen Ärzte und Kassen hier gemeinsame Sache zu
Lasten der psychisch kranken Patienten: "Es gibt hier eine unheilige
Allianz zwischen den Fachärzten, die gerne wollen, dass ihr Honorar
nicht mehr durch psychotherapeutische Leistungen, die davon abgezogen
werden, belastet wird, und den Kassen, die insgesamt möglichst wenig
zahlen möchten. Die Leidtragenden sind die psychisch Kranken und
insbesondere psychisch kranke Kinder, für die es sehr schwierig ist,
entsprechende Behandlungsmöglichkeiten zu kriegen", sagte
Köster-Steinebach.
BPtK-Präsident Richter erklärte gegenüber "Report Mainz" zur
Vereinbarung zwischen Ärzten und Kassen bei den Honorarverhandlungen:
"In diesen Verhandlungen ging es in erster Linie ums Geld und nur am
Rande um die Versorgung psychisch kranker Menschen." Die
Bundespsychotherapeutenkammer befürchtet, dass angesichts dieser
Einigung der tatsächliche Bedarf an Psychotherapeuten nicht mehr
berechnet werde. Weil gerade städtische Bereiche, gemessen an den
gesetzlichen Vorgaben, trotz langer Wartezeiten für Patienten als
überversorgt gelten, drohe nun ein Abbau jeder vierten
psychotherapeutischen Praxis.
Kassen- und Ärztevertreter weisen diese Vorwürfe zurück. Man gehe
verantwortungsvoll mit der Bedarfsplanung um. Der GKV-Spitzenverband
erklärt schriftlich gegenüber "Report Mainz", es werde "keine
Verschlechterung für die Versorgung" geben. Die Sitze für
Psychotherapeuten müssten "bundesweit gleichmäßiger verteilt" werden.
Weitere Informationen finden Sie unter www.swr.de/report. Zitate
gegen Quellenangabe frei. Fragen bitte an "Report Mainz", Tel.:
06131/929-33351.