Brustimplantate mit hauchdünnen Hüllen, die leicht
reißen und außerdem mit technischem Silikon gefüllt sind.
Hüftprothesen, die viel zu früh versagen. Dünne Kabel von
implantierbaren Defibrillatoren, die plötzlich unkontrolliert
Stromstöße ins Herz schicken, Stents in Hirngefäßen, die
Schlaganfälle vermeiden sollen und stattdessen das Risiko für diese
verdoppeln. Der von der EU vorgelegte Verordnungsentwurf für
Medizinprodukte sollte Antworten auf die jüngsten Skandale liefern.
Doch die Erwartung, dass Patientenrechte gestärkt und Risiken des
Einsatzes von Hochrisikomedizinprodukten am Patienten verringert
werden, hat sich nicht erfüllt. Diese Verbesserungen gehören in die
EU-Verordnung.
Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa sind sich über 50
Spitzenorganisationen der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung
aus 15 EU-Mitgliedstaaten (European Social Insurance Platform - ESIP;
Association Internationale de la Mutualité - AIM), die Herausgeber
der Medikamentenbulletins (ISDB) und das "Medicines in Europe Forum"
(MiEF) einig, dass der Verordnungsentwurf nicht genügt, um die
notwendige Sicherheit von Patienten zu gewährleisten.
In einem gemeinsamen Positionspapier fordern sie:
1. Das gegenwärtige Zertifizierungssystem durch private Benannte
Stellen ist unzureichend, um Patienten wirksam zu schützen
- Zahlreiche Medizinprodukte, die in den USA gar nicht erst in den
Verkehr gelangten, da die Vermarktung von der US-amerikanischen
Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) nach dem
dort geltenden Zulassungssystem präventiv versagt wurde, durften
in Europa zunächst vermarktet werden und mussten später aus
Sicherheitsgründen wieder vom Markt genommen werden.
2. Einführung eines zentralen Zulassungsverfahrens für
Hochrisiko-Medizinprodukte erforderlich
- Anstelle des jetzigen CE-Zertifizierungsverfahrens durch private
Benannte Stellen ist für Hochrisiko-Medizinprodukte ein
zentrales Zulassungsverfahren auf europäischer Ebene vorzusehen,
in dem sowohl Sicherheit und Wirksamkeit als auch ein positives
Nutzen-Risiko-Verhältnis anhand der Ergebnisse qualitativ
hochwertiger klinischer Studien zu belegen sind.
- Die Ergebnisse der klinischen Prüfungen müssen in einer
öffentlich zugänglichen zentralen Datenbank hinterlegt werden.
- Für bereits in Verkehr befindliche Hochrisiko-Medizinprodukte
ist ein Nachzulassungsverfahren vorzusehen, in dem Sicherheit
und Wirksamkeit nachzuweisen sind.
3. Rechte geschädigter Patienten müssen gestärkt werden
- Um eine angemessene Deckungsvorsorge im Schadensfall
sicherzustellen, müssen Medizinproduktehersteller zum Abschluss
einer obligatorischen Haftpflichtversicherung in ausreichender
Höhe verpflichtet werden, die Patienten im Schadensfall auch
direkt in Anspruch nehmen können.
- Im Interesse geschädigter Patienten sowie der Kosten- bzw.
Versicherungsträger sollte ein Recht auf Auskunft gegenüber dem
Medizinproduktehersteller sowie den Aufsichtsbehörden gesetzlich
normiert werden.
- Die Beweislast, ob ein fehlerhaftes Medizinprodukt für einen
Gesundheitsschaden ursächlich geworden ist oder nicht, muss vom
Patienten auf den Hersteller verlagert werden. Dem Patienten
sollte nur noch der Nachweis der objektiven Möglichkeit der
Schadensverursachung durch das Medizinprodukt obliegen.
Der EU-Verordnungsentwurf konzentriert sich in erster Linie auf
eine verbesserte Transparenz und Marktkontrollen. Beides ist zwar
notwendig, aber nicht ausreichend.
Mit ihren Forderungen greifen die Sozialversicherungsträger
deshalb die größten Schwächen des Entwurfs auf. So gibt es europaweit
ungefähr 80 der sogenannten Benannten Stellen, die das CE-Siegel für
Hochrisikomedizinprodukte vergeben können. Deren Anbieter können frei
wählen, bei welchem dieser privatwirtschaftlichen Institute sie ihr
Produkt prüfen lassen, so dass eine schnelle und komplikationslose
Produktzulassung ein gewichtiges Auswahlkriterium sein könnte. Diesen
Freiraum möchten sich die Anbieter auch bei ihren Studien erhalten.
Doch belastbare, qualitativ hochwertige klinische Studien zum
Nachweis des patientenrelevanten Nutzens im Vergleich zum Risiko
wären ohne weiteres machbar. Das hat das Institut für
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erst vor kurzem
bestätigt.
Der EU-Verordnungsentwurf wird jetzt im Europäischen Parlament und
im Rat unter den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten
beraten. Der Deutsche Bundestag und Bundesrat sowie die anderen
nationalen Parlamente haben die Möglichkeit, bis Ende November 2012
direkt gegenüber der EU-Kommission Stellung zu nehmen. Sollten keine
Änderungen an dem vorliegenden EU-Verordnungsentwurf vorgenommen
werden, würde dieser binnen drei Jahren geltendes Recht in den
EU-Mitgliedstaaten.
Höhere Anforderungen an Hochrisikomedizinprodukte reduzieren nicht
nur Patientenleiden. Geringere Komplikationsraten befreien auch das
deutsche Gesundheitssystem von unnötigen Kosten. Nicht zuletzt
könnten sich die Hersteller qualitativ hochwertiger Medizinprodukte
in Europa mit einem Qualitätssiegel "Proved in Europe" auf den
nationalen und internationalen Märkten profilieren. Gute Gründe, die
Forderungen zum Wohle der Patienten noch in die EU-Verordnung
einfließen zu lassen.
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