Fingernägelkauen kann eine vergleichsweise harmlose Verhaltensweise sein, die nur gelegentlich auftritt. Sie kann jedoch, wie Elmar Basse, der Inhaber der Praxis für Hypnose Hamburg, betont, auch chronisch-zwanghaften Charakter annehmen und Verletzungen der Fingernägel und des Nagelbettes hervorrufen. Die Betroffenen leiden darunter, sehen sich aber außerstande, es abzustellen. Denn der bewusste Verstand des Menschen hat in diesen Fällen keinen Zugriff auf die Kräfte, die das Fingernägelkauen steuern.
Anders verhält es sich mit der klinischen Hypnose. Im Gegensatz zu der Showhypnose wird hier nicht zum Zwecke des Entertainments mit Hypnose gearbeitet, sondern um tiefgreifende Heilungsprozesse in Gang zu setzen. "Hypnose ist die Urmutter aller Therapie", wie Elmar Basse erklärt. "Schon Sigmund Freud hat, lange bevor er die Psychoanalyse entwickelte, als Hypnotiseur gearbeitet, war bei dem seinerzeit sehr berühmten französischen Hypnotiseur Hippolyte Bernheim und besuchte dessen Vorlesungen, übersetzte schließlich sogar ein Buch von ihm ins Deutsche." Mittels Hypnose kann das Unbewusste des Patienten erreicht werden und auf diesem Weg eine Heilung in Kraft treten.
Wie hilft Hypnose gegen das Fingernägelkauen und was sind überhaupt die Ursachen für diese Störung? Elmar Basse erklärt: "Die Gründe und Ursachen können sehr vielfältig sein. Wir sollten uns vor einem monokausalen Denken der Art: "Weil damals x geschehen ist, deswegen bin ich heute so", hüten. Meistens spielt sehr viel gemeinsam herein, manches aus dem Bereich der genetischen Anlage, gewisse Persönlichkeitsbedingungen, aber auch Faktoren aus der sozialen Umwelt, der Erziehung etc."
Manche würden sich laut Elmar Basse das Fingernägelkauen einfach nur nicht abgewöhnt haben und behielten es aus einer Art Bequemlichkeit bei, auch mangels erzieherischer Einflüsse. Es kann aber auch, so betont Elmar Basse, eine tiefgreifende psychische Belastung dahinterstecken, ggf. ein unverarbeitetes Trauma.
"Erfahrungsgemäß ist das", so Elmar Basse, "allerdings seltener der Fall. Nur weil er an den Fingernägeln kaut, braucht der Betroffene nicht gleich befürchten, er müsse in einer aufwendigen Therapie irgendwelche Traumatisierungen aufarbeiten, von denen er bewusst gar nichts ahnt." Der Therapeut sollte, ergänzt Elmar Basse, zwar in jedem einzelnen Fall aufmerksam sein, ob er relevante Indizien für eine tiefersitzende Problematik entdeckt, aber vermeiden, sie gleich dogmatisch vorauszusetzen.
Ein solches Dogma würde den Blick auf die Tatsache versperren, dass nach Elmar Basse eben in einer hohen Anzahl von Fällen schon eine einzige oder einige wenige Hypnose-Sitzungen ausreichen können, um eine dauerhafte Heilung herbeizuführen.
Was sind die Entstehungsbedingungen und die konkrete Symptomatik des Nägelbeißens? Elmar Basse erläutert: "Das Kauen an den Fingernägeln beginnt typischerweise schon in der frühen Kindheit, wächst sich aber bei den meisten Menschen im Laufe der Zeit, spätestens mit Einsetzen der Pubertät wieder aus. Außer eben bei den Menschen, ungefähr 10%, bei denen sich das Nägelbeißen verselbständigt und sich der bewussten Kontrolle dann auch entzieht."
Oft bemerken die Betroffenen es laut Elmar Basse nicht einmal, dass sie schon wieder an den Nägeln gekaut haben - sie entdecken es erst an den Folgen. Dann tritt auch mehr und mehr ein Prozess des Verbergens auf. Das Nägelbeißen wird als peinlich empfunden, andere sollen es nicht entdecken. So werden Finger und Hände zu verstecken versucht, was zu einem erheblichen Maß an innerer Spannung beiträgt.
Und wie Elmar Basse betont, setzt dieses Verhalten des Versteckens und Verbergens ebenfalls seinem Ursprung nach oft schon sehr früh ein: Eltern, Verwandte, Lehrer u.a. versuchen zu intervenieren, und zwar oft durch Tadel, Zurechtweisung und Verbote, was für den Betroffenen schon deshalb belastend ist, weil er ja gerne mit dem Nägelbeißen aufhören würde, wenn er es denn könnte. So versucht er sich laut Elmar Basse stattdessen den negativen sozialen Reaktionen dadurch zu entziehen, dass er das Fingernägelkauen quasi unbemerkt (auch vor sich selbst) geschehen lässt. In diesen Situationen, in denen es zum Nägelbeißen kommt, herrscht dann oft eine beträchtliche innere Anspannung vor - das Kauen an den Fingernägeln wirkt für den betroffenen Menschen wie ein unbewusstes Ventil der aufgestauten Anspannung.
Das Nägelkauen ist laut Elmar Basse letztlich ein frühkindlicher Mechanismus der Stressreduktion. Kleine Kinder neigen nicht nur dazu, ihren Daumen in den Mund zu stecken und auch auf anderen Gegenständen herumzukauen, sondern eben auch an den eigenen Nägeln. Das ist die frühkindliche sogenannte orale Fixierung: Stress wird auf dem Wege abzubauen versucht, der dem Menschen in seiner jeweiligen Entwicklungsphase eben gerade zur Verfügung steht, und das ist laut Elmar Basse beim Kleinkind nun einmal primär der orale Weg.
Wer auch später beim Nägelkauen bleibt, der übernimmt laut Elmar Basse somit einen frühkindlichen Mechanismus der Stressreduktion in sein weiteres Leben.
Hypnose kann hier auf zwei Wegen helfen: Zum einen wird durch die hypnotische Trance das allgemeine Spannungsniveau reduziert. Wie Elmar Basse erklärt, ist der Weg in die klinische Hypnose per se ein Weg in die Entspannung. Indem eine möglichst tiefe hypnotische Trance erreicht wird, kann auch der chronifizierte innere Stresszustand des Menschen aufgelöst werden. Wenn dies erreicht ist, stehen dem betroffenen Menschen auch neue Möglichkeiten zur Verfügung, mit dem Stress zurechtzukommen, den das Leben mit sich bringt. Elmar Basse: "Diese anderen, reiferen Möglichkeiten der Stressreduktion kennt der erwachsene Mensch eigentlich. Aber durch den chronifizierten erhöhten Stress und die unbewusste Konzentration auf ein einziges, frühkindliches, Reduktionsverfahren konnten sie bislang nicht genutzt werden." Indem der innere Überdruck reduziert wird, können diese neuen Wege jetzt auch tatsächlich angenommen und eingeübt werden. Dazu sind dann die sogenannten Wirksuggestionen wichtig: Wenn der Organismus sich auf dem Wege der Hypnose in eine möglichst tiefe Trance begeben hat, wird er zugänglich für neue, hilfreiche Botschaften. Diese wirken dem bisherigen Problemverhalten des Fingernägelkauens entgegen und ersetzen es durch gesunde, erwachsene Formen des Umgangs mit innerer Anspannung.