Neuer Bericht von führenden Akademikern ruft im Hinblick auf
Hygiene zu einer vernünftigen, schwerpunktmässigen Herangehensweise
auf, um uns vor Infektionen zu
schützen.
In einem wissenschaftlichen Bericht, der heute auf der Excellence
in Paediatrics Conference in Madrid vorgelegt wurde, rufen
Wissenschaftler des International Scientific Forum on Home Hygiene
(IFH)[1] zu einem radikalen Umdenken in Bezug auf Reinlichkeit und
Hygiene im Haushalt auf. Der Bericht hinterfragt die lange Zeit
geltende "Hygienehypothese", die besagt, dass übermässige
Reinlichkeit bei Kindern sogar vermehrt zu Allergien führen könne.
Und wenngleich der Bericht das Konzept bestätigt, dass wir einigen
Mikroorganismen ausgesetzt sein müssen, um unser Immunsystem zu
regulieren, wird die Annahme hinterfragt, dass es sich dabei auch um
Keime handeln müsse, die zu Infektionskrankheiten führen - die
Vorstellung, dass Kinder, die aufgrund einer reinlicheren Umgebung
weniger erkranken, vermehrt Asthma oder sonstige Allergien ausbilden.
(Logo: http://photos.prnewswire.com/prnh/20121130/579611 )
Für den IFH-Bericht mit dem Titel "The hygiene hypothesis and its
implications for home hygiene, lifestyle and public health" (Die
Hygienehypothese und ihre Auswirkungen auf die Hygiene im Haushalt,
auf den Lebensstil und auf das Gesundheitswesen) wurden
wissenschaftliche Erkenntnisse überarbeitet, die in den vergangenen
20 Jahren seit der Aufstellung der "Hygienehypothese" erbracht
wurden. Man untersuchte, ob die heutige Hygiene im Haushalt und im
Alltag wirklich ein Auslöser für Allergien, wie z. B. Heuschnupfen,
und chronisch-entzündliche Erkrankungen (CEE), wie z. B.
Typ-1-Diabetes, multiple Sklerose und chronisch-entzündliche
Darmerkrankung, sein könne, die allesamt in den vergangenen Jahren
vermehrt auftreten. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass eine
Vielzahl von Massnahmen, wie z. B. sanitäre Anlagen, saubereres Essen
und Trinken sowie Antibiotika, die in den letzten 200 Jahren
eingeführt wurden, den Kontakt sowohl mit schädlichen Keimen als auch
mit Mikroorganismen, die unser Immunsystem regulieren, reduziert oder
verändert haben. Zusammen mit anderen Faktoren, wie beispielsweise
Genetik, moderner Ernährung, Umweltverschmutzung und Stress, sind wir
somit anfälliger für Allergien und CEE.
Die Forscher legen eindringlich nahe, dass wir auch weiterhin
darauf achten müssen, die "falschen" Mikroorganismen - also die
Krankheitserreger, die zu schweren Erkrankungen führen können - unter
Kontrolle zu halten, auch wenn der Kontakt mit den "richtigen"
Mikroorganismen von wesentlicher Bedeutung sei. Die nach wie vor hohe
Belastung durch Infektionskrankheiten, die höhere Anzahl an
infektionsgefährdeten Menschen, das Problem der Antibiotikaresistenz,
der Mangel an wirksamen Impfstoffen gegen viele Infektionskrankheiten
- all dies bedeutet, dass Infektionsprävention nach wie vor ein
Gesundheitsproblem darstellt, das unsere grösste Aufmerksamkeit
verdient. Hygiene muss daher eine zunehmend wichtige Rolle spielen,
und der IFH-Bericht räumt ein, dass diesem Thema auf der
Gesundheitsagenda eine höhere Bedeutung zukommen müsse.
"Allergien und chronisch-entzündliche Erkrankungen sind ernsthafte
Gesundheitsprobleme. Einfach zu behaupten, dass eine ,übermässige
Reinlichkeit' der Grund dafür sei, ist der falsche Ansatz, da dies
davon abhält, die wahren und vermutlich viel komplexeren Ursachen und
folglich auch die Lösungen für das Problem zu finden", kommentierte
Dr. Rosalind Stanwell Smith, Honorary Senior Lecturer an der London
School of Hygiene and Tropical Medicine (GB) und Mitautorin des
Berichts. Sich darüber Sorgen zu machen, ob man "zu reinlich" sei,
könnte dazu führen, dass Erwachsene und ihre Kinder unnötigerweise
mit Krankheitserregern in Kontakt kommen, die sie krank machen und
ganz klar eine Gefahr darstellen würden.
Professor Sally Bloomfield, Chairman des IFH, Honorary Professor
an der London School of Hygiene and Tropical Medicine (GB) und
Mitautorin des Berichts, fügte hinzu: "Entscheidend dabei ist, dass
wir uns von der Vorstellung verabschieden müssen, ,zu reinlich' zu
sein, und somit Reinlichkeit mit Hygiene verwechseln. Wir müssen den
Menschen dabei helfen, unterscheiden zu können, ob sie ihre Kinder
lediglich mit ihrer Umgebung in Kontakt treten oder sie schmutzig
werden lassen, und dabei darauf achten, dass sie so gut wie möglich
vor potenziell schädlichen Erregern geschützt sind. Wir sollten
Kinder beispielsweise dazu ermutigen, miteinander zu spielen und
ungehindert mit ihrer Umgebung zu interagieren, dabei jedoch Dinge
wie das Händewaschen nach dem Toilettengang, vor dem Essen, nach dem
Spielen auf dem Bauernhof usw. rigoros durchzusetzen."
Professor Rook vom Centre for Clinical Microbiology, University
College London (GB), und Mitautor des Berichts legt nahe, dass die
neuen Forschungsergebnisse besser mit der Vorstellung vereinbar
seien, dass es sich bei den Mikroorganismen, denen wir ausgesetzt
sein müssen, nicht um Erreger von Infektionskrankheiten handele, da
diese sich erst vor relativ kurzer Zeit entwickelt hätten. Er schlägt
vor, dass die Mikroorganismen, die wir benötigen, diejenigen seien,
denen wir in der Steinzeit ausgesetzt waren, als unsere Immunsysteme
sich zu entwickeln begannen: Umweltkeime, also die Keime, die
seinerzeit unsere reguläre Darmflora bildeten, sowie Helminthen
(Würmer). Er bezeichnet die Überarbeitung der Hygienehypothese als
"Old-Friends"-Hypothese. "Es wird immer deutlicher, dass wir nach
Wegen suchen müssen, um uns erneut diesen ?alten Bekannten'
auszusetzen, um die zunehmende Zahl der Allergien und weiterer
chronisch-entzündlicher Erkrankungen zu bekämpfen, welche die
Gesellschaft von heute plagen. Doch das wird mehr Zeit und weitere
Forschungen erfordern. Wenn die ?Old-Friends'-Hypothese stimmt, ist
es unwahrscheinlich, dass nachlässigere Hygiene- und
Reinlichkeitsstandards dabei helfen werden, da es ziemlich
wahrscheinlich ist, dass nicht mehr viele dieser Mikroorganismen und
weitere hilfreiche Einflüsse in unseren modernen, urbanen Behausungen
auftreten."
Hierbei handelt es sich um die Grundlage einer rationaleren
Herangehensweise an Hygiene im Haushalt, die vom IFH entwickelt wurde
und als "gezielte Hygiene" bezeichnet wird. Dahinter steckt das
Prinzip, den Menschen begreiflich zu machen, wie schädliche Erreger
hauptsächlich in unser Zuhause und in unseren Alltag gelangen und
dass es wichtig ist, Hygienemassnahmen, wie das Händewaschen in
angemessenen Situationen, zu ergreifen und somit die Ausbreitung von
Keimen zu verhindern. Indem wie uns auf unsere Hygienegewohnheiten
und die unserer Kinder konzentrieren, wird das Erkrankungsrisiko
minimiert, und andere Mikroorganismen, die auf natürliche Weise in
unserer Umgebung vorhanden sind, werden am wenigsten beeinträchtigt.
Das IFH ist sich bewusst, dass nationale und internationale
Gesundheitsbehörden, Umweltministerien und Entscheidungsträger
zusammenarbeiten und die Verantwortung für Gewohnheits- und
Verhaltensänderungen sowie für Aufklärung in allen
Gesellschaftsschichten übernehmen müssen, um eine bedeutsame und
einflussreiche Veränderung herbeizuführen.
Presseanmerkungen
Eine PDF-Datei des vollständigen Berichts steht über folgenden
Link zur Verfügung: http://www.ifh-homehygiene.org
Das IHF hat ausserdem eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse
und Schlussfolgerungen des Berichts erstellt. Diese können über
folgenden Link im Papierformat angefordert oder heruntergeladen
werden: http://www.ifh-homehygiene.org
1. Das International Scientific Forum on Home Hygiene (IFH) ist
eine gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die auf der Grundlage
von soliden wissenschaftlichen Prinzipien die Praktiken zur Hygiene
im Haushalt entwickelt und fördert. Weitere Informationen über das
IFH erhalten Sie unter http://www.ifh-homehygiene.org
Medien- und Interviewanfragen richten Sie bitte an Professor Sally
Bloomfield sallyfbloomfield@aol.com oder Tonic Life Communications (
nikki.malnick@toniclc.com, +44-(0)20-7798-9900 und
laura.walters@toniclc.com, +44-(0)78-9695-4865).
Photo:
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