"Es gibt in Deutschland rund 20 Millionen Menschen, die sich ein Leben ohne Bauchkrämpfe, Blähungen, Vollegefühl, Verstopfung oder Durchfall nicht vorstellen können", erklärt Dr. Thomas Meier. "Sie leiden unter dem sogenannten Reizdarmsyndrom, einer rein funktionellen Darmerkrankung." Das bedeutet: Es liegen keine nachweisbaren organischen Ursachen wie zum Beispiel Entzündungen vor. Die subjektiven Beschwerden des Betroffenen sind jedoch so stark, dass sie ihn erheblich beeinträchtigen. "Die meisten Reizdarm-Patienten leiden zum Glück nicht dauerhaft unter den Schmerzen", weiß Dr. Meier. "Meist tritt das Syndrom in speziellen Phasen des Lebens auf. So zum Beispiel bei Stress, auf Reisen oder durch eine Ernährungsumstellung." Was für Betroffene wichtig ist: eine professionelle, individuelle Ernährungstherapie[1], um möglichst beschwerdefrei leben zu können.
Stress und reichhaltiges Essen - ein teuflisches Paar
Die Wissenschaft ist sich inzwischen einig, dass psychische Prozesse und das Verdauungs-system weitaus enger aneinander gekoppelt sind, als man bisher dachte. Dr. Meier erläutert das Phänomen des sogenannten "Bauchhirns": "Störungen des enterischen Nervensystems[2], das alle Verdauungsfunktionen steuert, sind die primäre Ursache für die Probleme der Darmmotorik bei einem Reizdarmsyndrom. Also reagieren Betroffene empfindlich auf schwer verdauliches, fettes oder süßes Essen oder auf psychische Belastungssituationen. Auch eine Antibiotika-Einnahme kann die Darmflora eines ohnehin sensiblen Reizdarmpati-enten soweit beeinträchtigen, dass er starke Beschwerden bekommt." Gerade jetzt in der Weihnachtszeit sind Menschen mit dem sogenannten colon irritabile besonders gestraft. "Zum Ende des Jahres hin sind viele Menschen beruflich und im Alltag stark eingespannt", so Dr. Meier. "Ihre To-Do-Listen sind lang, und gleichzeitig ändert sich ihr Essverhalten - wer kann schon ständig den Versuchungen der Adventszeit wiederstehen?" Das Ergebnis für Reizdarmpatienten: Unwohlsein, Bauchkrämpfe und Verdauungsbeschwerden, die die Zeit trüben. Hinzu kommt, dass häufig nicht nur der Darm rebelliert, sondern auch der Magen. Die funktionelle Dyspepsie, der Reizmagen, tritt oft in Kombination mit dem Reizdarm auf. Die Symptome sind unter anderem Magendrücken, Sodbrennen, gürtelförmiger, unbestimm-ter Schmerz im Oberbauch sowie Übelkeit und Erbrechen. Stress schlägt also nicht nur sprichwörtlich auf den Magen. Hinzu kommt, dass auch die Ernährungsgewohnheiten einen großen Einfluss haben. Da Magen und Darm von Natur aus "Schwerstarbeiter"[3] sind, wenn es um die Zersetzung und Verarbeitung der Nahrung geht, sind Irritationen durch fetthaltiges oder hastig gekautes Essen bei Reizdarmpatienten vorprogrammiert. Alkoholgenuss und Koffeinkonsum tun ihr Übriges.
Was tun bei Reizdarm und Reizmagen? - 10 Tipps von Dr. Thomas Meier
1. "Führen Sie ein Tagebuch! - Schreiben Sie genau auf, wann und in welchen Situationen die Beschwerden auftreten. So finden Sie die Hauptauslöser heraus, und es dient Ihnen als Basis für geeignete Selbsthilfemaßnahmen."
2. "Wärme hilft! - Um den Schmerz schnell zu lindern, helfen ein warmes Bad mit Melisse- oder Lavendel-Öl, eine Wärmflasche oder ein Kirschkernkissen. Auch der klassische Leib-wickel wirkt entkrampfend. Tränken Sie dafür ein Handtuch in warmes Wasser, wringen Sie es aus, legen Sie es sich auf den Bauch und legen Sie sich dann zusammen mit einer Woll-decke circa 30 Minuten hin."
3. "Anis, Kümmel und Fenchel wirken Wunder! - Ein warmer Tee aus Anis, Kümmel und Fenchel löst die Krämpfe und entspannt den Bauch. Wer immer ein paar Teebeutel bei sich trägt, kann beispielsweise auch bei der Arbeit den Beschwerden entgegenwirken."
4. "Langsam essen! - Kauen Sie gewissenhaft und vermeiden Sie es, hektisch zwischen Tür und Angel zu essen. Denn große Essensbrocken oder schnell verschlungene Lebensmit-tel bedeuten einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für den Verdauungsapparat. Außerdem soll-ten Sie vier Stunden vor Beginn der Bettruhe nichts mehr essen. Der Magen arbeitet nämlich nicht gern, wenn sein Meister schläft."
5. "Sagen Sie nein zu Genussmitteln! - Verzichten Sie auf Kaffee, Alkohol, schwarzen Tee, Limonaden und säurehaltige Obstsäfte. Trinken Sie stattdessen lieber Wasser, Kräuter-tees oder die Anis-Kümmel-Fenchel-Mischung. Damit entlasten Sie Ihre Verdauung."
6. "Reduzieren Sie die Ballaststoffe! - Wer häufig unter schmerzhaften Blähungen leidet, sollte auf Ballaststoffe wie Vollkornbrot oder Müsli verzichten - ebenso auf Gemüsesorten wie Hülsenfrüchte, Kohl, Knoblauch und Zwiebeln."
7. "Passen Sie Ihren Speiseplan an! - "Bei Verstopfung sollten Sie Kleie und Milchzucker dem Frühstück beimischen, viel trinken und viel Obst und Gemüse essen. Bei Durchfall sollten Sie weniger Ballaststoffe und Milchprodukte essen und auf Kaffee verzichten."
8. "Bewegen Sie sich! - Körperliche Bewegung ist immer wichtig und insbesondere bei Reizdarm oder Reizmagen hilft es, täglich zu radeln, spazieren zu gehen oder zu joggen. Das fördert die Entspannung und gleicht den Stress aus."
9. "Machen Sie gezielte Entspannungsübungen! - Regelmäßiges Yoga, Meditation oder progressive Muskelrelaxation sind optimal, um sowohl Körper als auch Geist zur Ruhe zu bringen und die Beschwerden langfristig zu lindern."
10. "Testen Sie Hausmittel! - Gegen Sodbrennen helfen Heilerde, die man im Drogerie-markt bekommt, oder Haferschleim, mit dem man morgens in den Tag startet. Gegen Blähungen hilft es, eine halbe Handvoll Kümmelkörner zu zerkauen - oder den bewährten Ma-gen-Darm-Tee auf Basis von Fenchel, Kümmel und Anis zu trinken."
Wann muss ich zum Arzt?
Unspezifische Bauchbeschwerden können natürlich auch ein Anzeichen für ernstzunehmen-de und therapiebedürftige Krankheiten sein. Sind die Schmerzen beispielsweise ungewohnt heftig und tritt dazu noch Fieber auf, sollten sich Betroffene auf jeden Fall in ärztliche Be-handlung begeben.
[1] Diese bietet das Diagnostik Zentrum Fleetinsel Hamburg an. Hier steht Diplom-Oecotrophologin Julia Ristow Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite und entwickelt individuelle Ernährungspläne - abgestimmt auch auf mögliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
[2] Das enterische Nervensystem (altgriechisch: enteron = Darm), auch Darmnervensystem genannt, ist ein komplexes Geflecht aus Nervenzellen, das nahezu den gesamten Gastrointestinaltrakt durchzieht.
[3] Im Laufe eines Lebens verarbeiten Magen und Darm im Durchschnitt 30 Tonnen Nahrung und 50.000 Liter Flüssigkeit.