Regensburg, 17. Januar 2013 - dgp-
Zwischen Diabetes und Parodontitis gibt es Wechselwirkungen. Bei beiden Krankheiten handelt es sich um chronische systemische Volkskrankheiten. Beide entwickeln sich schleichend, wobei oft Symptome fehlen. Deshalb fallen die Erkrankungen kaum auf. Sie sind auch mit hohen Behandlungskosten verbunden. Nicht zuletzt, weil zum Zeitpunkt der Diagnose aus leichten Beschwerden bereits schwere Fälle geworden sind. Je früher aber diagnostiziert wird, umso größer die Chancen, die schwerwiegenden Folgen dieser entzündlichen Erkrankungen zu verhindern bzw. zu mindern. Deshalb sind die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DGP) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) dabei, Leitlinien für eine frühzeitige und disziplinübergreifende Diagnostik und Behandlung zu entwickeln. Darin sind konkrete Empfehlungen für ein abgestimmtes Vorgehen unter behandelnden Ärzten enthalten. Bislang wird noch zu wenig über die Grenzen der eigenen Fachdisziplin geschaut.
In Deutschland gibt es 20 Millionen Patienten mit behandlungsbedürftigen Parodontalerkrankungen, davon 8 Millionen schwere Fälle. Aber nur ein kleiner Teil davon wird umfassend behandelt. Da Parodontitis und Diabetes mellitus in einer Wechselbeziehung stehen, verschlimmert Diabetes Parodontitis und Parodontitis befeuert Diabetes. "Parodontitis verschlechtert die Einstellung des Blutzuckerspiegels. Umgekehrt wirkt sich eine unzureichende Blutzuckereinstellung negativ auf parodontale Erkrankungen aus. Diabetes begünstigt Parodontitis: 3-fach höheres Risiko; doppelt so häufiger Zahnverlust im Vergleich zu Stoffwechselgesunden", so Prof. Thomas Kocher, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie.
Durch Prävention und rechtzeitige Therapie können Entzündungsprozesse, Insulinresistenz und daraus resultierende Probleme aufgehalten werden. Doch in der täglichen Praxis werden die Krankheitsbilder isoliert betrachtet.
Dabei wäre es einfach, wenn der Zahnarzt, zu dem die Patienten regelmäßig kommen, auch auf Hinweise für einen sich entwickelnden Typ 2-Diabetes achten würde. Bei Parodontitis und Diabetes-Typ 2 handelt es sich um ähnliche Entzündungsprozesse. Circa 7 Prozent der Menschen in Deutschland leiden an einem diagnostizierten Diabetes mellitus. Tendenz steigend. Schätzungen gehen davon aus, dass aber auch beim Diabetes nur höchstens die Hälfte erkannt und behandelt wird. Als Risikofaktoren gelten auch Bewegungsmangel und Übergewicht.
Früherkennung der Diabetes im Rahmen der Zahnvorsorge
Über 90 Prozent der 20- bis 70-jährigen Deutschen geht im Schnitt zweimal im Jahr zum Zahnarzt. Das ist eine gute Möglichkeit, große Teile der Bevölkerung zu untersuchen. Zahnärzte könnten in ihrer Praxis Blutzuckerkontrollen durchführen und Risikoprofile erstellen. Bei Verdacht auf Diabetes sollten sie den Patienten zum Hausarzt schicken. So ließe sich diese chronische Störung des Zuckerstoffwechsels frühzeitig erkennen, bevor Herz- und Gefäßereignisse auftreten. Zudem ist geschultes Hilfspersonal in den Zahnarztpraxen vorhanden, das die Patienten regelmäßig anweisen könnte, Risikofaktoren zu minimieren und sich gesundheitsbewusster zu verhalten: ausgewogene Ernährung, mehr Bewegung, kein Nikotin und wenig Alkohol.
Auch wirtschaftlich sinnvoll
Von den anfallenden Behandlungskosten bei Diabetes (ca. 48 Mrd. Euro jährlich) gehen drei Viertel zu Lasten der mit Diabetes verbundenen Gefäßprobleme, allen voran die Kostentreiber Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenversagen. "Als Stoffwechselpatient mit Parodontitis steigt das Risiko für diese Komplikationen massiv", so der Bad Oeynhausener Diabetologe Prof. Diethelm Tschöpe. Die Sterblichkeit aufgrund der diabetischen Nephropathie (Nierenschädigung) ist gegenüber parodontal gesunden Diabetikern 9-fach höher. Und Diabetiker mit schwerer Parodontitis sterben doppelt so häufig infolge von dadurch ausgelösten Herzkrankheiten.
Die Parodontalbehandlungen selbst sind technisch nicht anspruchsvoll und auch nicht teuer. Sie können sich aber positiv auf den Blutzuckerspiegel auswirken. Eine zahnerhaltende Parodontalbehandlung über 10 Jahre kostet nur 200 Euro pro Zahn, gegenüber 2.000 Euro für Zahnersatz, Brücke oder Implantat.
"Wir müssen das Bewusstsein für diese Zusammenhänge von Mund- und Allgemeingesundheit in der Zahnärzte- und Ärzteschaft sowie der Gesamtbevölkerung stärken. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt, Arzt und Patient kann vorbeugen und Leiden lindern. Davon profitieren die Patienten und das Gesundheitssystem", appelliert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie, Prof. Peter Eickholz.