Wie ein paar junge Leute aus der Not eine Tugend machen - einen Spassverein gründen, ein Rockfestival planen und ihre gesamte Heimatstadt aus der Lethargie reissen.
Was tun, wenn in der Heimatstadt Discotheken schließen, die Lieblings-Musikkneipe vom Abriss bedroht ist und irgendwie nichts spannendes passiert? Natürlich können junge Menschen in dieser Situation resignieren und einfach den Kopf in den Sand stecken. Sie können aber auch ganz anders - gründen einen Spassverein und organisieren ein eigenes Rock-Festival. Am Samstag, den 30. Mai treten in Lippstadt 13 Bands aus ganz Deutschland beim ersten „Rock am Güter“-Festival auf. Es ist ein Open-Air-Event auf einem 2000 Quadratmeter großen Gelände, mit zwei Bühnen, das eine ganze Stadt aus ihrer Lethargie reißt. Lippstadt ist eine knapp 70 000 Einwohner zählende Stadt in Nordrhein-Westfalen. Das Leben ist beschaulich hier. Für die Jugend vielleicht zu beschaulich. „Wir müssen etwas auf die Beine stellen“, beschließen deshalb im November 2008 ein paar Freunde. Spontan wird der 1. Lippstädter Spassverein gegründet. „Zu Anfang war das ein Jux“, erklärt Jochen Brode, Pionier der ersten Stunde. Noch im Gründungsmonat zeigt der mittlerweile 22 Mitglieder zählende Verein, dass er aber wirklich etwas auf die Beine stellen kann. Der Grund ist allerdings weniger spaßig. Die geliebte Musik-Kneipe „Zum Güterbahnhof“ soll einem Einkaufszentrum weichen. Die Kneipe ist die zweite Heimat der Freunde aus Schulzeiten. Hier kann die alternative Szene zu rockiger Musik feiern. Schnell wird ein Solidaritätskonzert geplant, für das die Bands Orange But Green, The Smack Ballz und Boris Gott aus Dortmund gewonnen werden können. Das Konzert wird ein voller Erfolg, auch wenn der Abriss der Kneipe nicht endgültig abgewendet werden kann. Doch der Spassverein merkt, dass sich mit Organisationstalent und Durchsetzungsvermögen etwas erreichen läßt. Einen Monat später, im Dezember 2008, nimmt der Verein mit 5 Teams an der 1. Kronen Wintergrillen- Vereinsmeisterschaft in Dortmund teil. Das Grillteam von Anne Hamann, übrigens Vegetariarin, überzeugt die Jury. Ex-Borussia Dortmund Spieler Lars Ricken überreicht den Siegerpokal, einen vergoldeten Grillrost, und 500 Euro. Die Idee damit ein privates Grillfest zu veranstalten wird verworfen. Stattdessen soll ein „Festival von Lippstädtern für Lippstädter“ organisiert werden. Stattfinden soll „Rock am Güter“ gleich neben der Lieblingskneipe auf einem ehemaligen Güterbahnhofsgelände.160 Lippstädter Firmen werden angeschrieben: Helft uns, Lippstadt attraktiver zu machen. Die Unternehmen sind begeistert, helfen finanziell, stiften Schützenfestzelte und Open-Air-Bühnen. Klempner, Architekten, Web-Designer bieten ihre Hilfe an. Schnell reicht der Bekanntheitsgrad des Vereins über die Stadtgrenzen hinaus. Eine wahre Schwemme von Bandbewerbungen aus ganz Deutschland geht ein. Allein 30 Gruppen bewerben sich in den ersten Tagen. „Da ist so viel Potential“, schwärmt Jochen Brode über die Musikgruppen, die alle umsonst spielen wollen. Die Festivalorganisation entwickelt sich langsam zum zweiten Fulltimejob neben der eigentlichen Arbeit. Vieles muss mit dem Ordnungsamt geklärt werden. Ein Sicherheitsdienst, Sanitäter und ein Arzt müssen für das Festival organisiert, Unterkünfte für die Bands gebucht werden. Zudem gilt es weitere Sponsoren zu finden. Schließlich ist das Festival mit ca. 20.000 Euro Kosten auch ein finanzielles Risiko. Aufgrund des Drucks fließen auch schon mal Tränen. „Die vielen positiven Rückmeldungen bestärken uns aber weiter zu machten“, betont Brode. Selbst der Bürgermeister von Lippstadt, Christof Sommer, meldet sich immer wieder beim Spassverein. Er ist begeistert von dem Event. Schließlich hat noch kein Verein vorher in der westfälischen Stadt eine Rock-Veranstaltung in dieser Größenordnung organisiert. Deshalb wird weiter mächtig die Werbetrommel gerührt. Am 14. März 2009 startet der Verein mit fünf Teams bei der dritten Schneeballschlacht Weltmeisterschaft im sauerländischen Winterberg. Letztendlich gewinnen die Aua-Handballer aus Menden den Titel. Die Freunde gewinnen jedoch auch - nämlich Aufmerksamkeit. Mit bedruckten Overalls, Flyern und Mundpropaganda machen sie Werbung für ihre Veranstaltung.Plötzlich ist der Spassverein umringt von Medienvertretern - wollen der WDR, das ZDF, ProSieben und die Welt am Sonntag mehr wissen über diese 22 jungen Leute im Alter von 21 bis 35 Jahren, die mit viel Herzblut ein Festival mitten in der Stadt aufziehen. Dabei betont der Verein, dass es nicht um Profit geht: „Wir wollen unserer Heimatstadt etwas Gutes tun“. Mittlerweile steht auch der größte Teil des Line-up’s fest – eine gute Mischung aus Metal, Punk, Hardcore, Akkustik-Pop-Rock und Funk. Auf den „Rock am Güter“- Bühnen spielen am 30. Mai 2009: Cosmo Klein Phunkguerilla (Berlin), Alex Amsterdam (Düsseldorf), Vandes (Nürnberg), And after the movement… (Köln), Orange But Green (Dortmund), The Smack Ballz (Dortmund), Damniam (Münster), Burning Ham (Geseke), Mindreader (Beckum), Tooleylooly and The McBobbies(Münster). Drei weitere Bands folgen. Eine Mischung, die Erfolg verspricht. Für die Zeit nach „Rock am Güter“ haben die kreativen Köpfe des Spassvereins aber schon den nächsten Clou geplant: das Casting einer Rock-Band. Na, dann – viel Spaß!
Weitere Infos_
Lippstädter Spassverein e.V.
Jochen Brode
Cappelstraße 68
59555 Lippstadt
Tel.: 02941 2097833
E-Mail: info@spass-verein.de
Internet: www.spass-verein.de