2008 war das Jahr der Mountainbikerin Sabine Spitz: Mit dem Sieg bei den Olympischen
Spielen in Peking ist für sie ein Lebenstraum wahr geworden. Auch die Auszeichnung zur
Radsportlerin des Jahres ist für Sabine Spitz eine ganz besondere Ehre. Nun stellt die
Ausnahmesportlerin vom „central Ghost Pro Team“ ihr Können Anderen zur Verfügung. Von
cleveren Fahrtechniken bis hin zu Bremstakti-ken: Das kleine ABC des Mountainbiken soll für
alle Liebhaber des Fahrradsports eine Hilfestellung sein.
Frau Spitz, Sie müssen bei Ihren Rennen häufig im unwegsamen Gelände um scharfe
Kurven fahren. Worauf muss ein Fahrer achten, um dabei nicht den Halt zu verlieren?
Sabine Spitz: Wichtig ist hier vor allen Dingen vorausschauendes Fahren auf der richtigen
Linie. Außerdem sollte der Fahrer vor einer Kurve die Geschwindigkeit so weit reduzieren,
dass er sie ohne heftige Bremsmanöver durchfahren kann. Außerdem empfiehlt es sich
immer, eine Biegung von außen anzufahren und das Fahrrad ein wenig in die Kurvenmitte
zu drücken, ähnlich wie das die Motocrossfahrer machen. Das heißt, das Fahrrad sollte
schräger als der Oberkörper liegen. Das Gewicht lastet dabei auf dem äußeren Bein, das
Pedal ist in Sechs-Uhr-Stellung. Am Ende der Kurve lässt sich das Rad dann leicht wieder
aufnehmen.
Wie lässt sich vermeiden, dass bei einem steilen Anstieg das Vorderrad abhebt oder das
Hinterrad durchdreht?
Sabine Spitz: Das Prinzip an steilen Hängen lautet „vor und tief“: Der Oberkörper muss
also rechtzeitig nach vorne gebeugt werden. Wenn die Steigung beginnt, sollten die
Schultern über dem Lenker und die Arme gebeugt sein. Durch gleichmäßiges Treten und
Verlagerung des Gewichts nach vorne lässt sich vermeiden, dass das Vorderrad abhebt.
Allerdings muss dabei der Körper so ausbalanciert werden, dass das Hinterrad nicht
durchdreht. Wenn der Radsportler am Hang langsamer wird, sollte er einen leichteren
Gang wählen und gleichmäßig weiter treten. Dabei ist es wichtig, locker zu bleiben und erst
dann wieder hochzuschalten, wenn sich die Fahrt hinter dem Hang beschleunigt. Wenn
die Kraft nicht reicht, kann man auch aus dem Sattel gehen, um dann im „Wiegetritt“ das
Fahrrad seitlich zu neigen und mit seinem Körpergewicht die volle Kraft auf die Pedalen zu
bringen. Es bedarf einiger Übung, aber mit zunehmender Fahrpraxis wächst auch das
Gefühl für die richtige Körperposition an einem Hang. Wichtig ist jedoch, dass die
Einstellung des Fahrrads stimmt. Ist der Vorbau zu hoch, der Rahmen zu groß oder stimmt
generell die Geometrie nicht, gibt es eigentlich keine Chance, eine steile Passage
vernünftig zu bewältigen.
Welche Tricks gibt es, um hinter einer Bergkuppe sehr steiles Gefälle zu meistern?
Sabine Spitz: Zunächst sollte der Fahrer nicht zu schnell an die Kante fahren, um je nach
Strecke richtig reagieren zu können. Die wichtigste Grundregel bei einer Abfahrt ist es, das
Körperschwerpunkt in Abhängigkeit vom Gefälle nach hinten zu verlagern. Um das
Gleichgewicht optimal zu stabilisieren, sollte sich der Körperschwerpunkt immer senkrecht
über dem Tretlager befinden. Je nach Ausprägung des Gefälles kann der Fahrer sein
Gewicht mehr oder weniger nach hinten verlagern. Dabei ist es wichtig, die Arme leicht
angewinkelt zu haben und nicht zu verkrampfen, um jederzeit schnell reagieren und
lenken zu können. Wichtig ist, möglichst frei auf dem Bike zu stehen. Das heißt, man sollte
sich auf keinen Fall am Sattel „festhalten“.
Auf abschüssiger Strecke kommt es sicher auch auf die richtige Bremstechnik an. Wie lässt
sich das trainieren?
Sabine Spitz: Ratsam sind zunächst einmal Bremsversuche im ebenen oder leicht
abschüssigen Gelände, durchaus auch bei lockerem Unter-grund. So lässt sich dann
spielerisch die Wirkung von Vorder- und Hin-terradbremse und deren Zusammenspiel in
Abhängigkeit zur Körperposition testen. Eine interessante Erfahrung ist, wie die Haltung
auf dem Rad bei konstanter Geschwindigkeit die Bremswege beeinflusst. Wenn Vorder-
oder Hinterrad mal wegrutschen, ist das nicht schlimm, sondern schult das Gefühl. Wichtig
ist nur, das Gewicht am Abhang ausreichend nach hinten zu verlagern, um beim Bremsen
einen Überschlag zu vermei-den.
Besonders knifflig wird es, wenn sich – bergauf wie bergab – Steine, Wurzeln oder Stufen
auf der Strecke befinden. Worauf gilt es dabei zu achten?
Sabine Spitz: Das hängt natürlich immer von der jeweiligen Situation ab. Zwei Dinge gelten
aber immer. Erstens: Locker bleiben, nicht verkrampfen und den Körperschwerpunkt in der
Mitte zu halten. Zweitens: Vorausschauend fahren, das heißt, der Blick fällt nicht direkt
beim Vorderrad auf den Boden, sondern ist immer fünf bis zehn Meter vorausgerichtet. So
kann der Fahrer seine Linie finden und das Fahrrad dann über die Hindernisse laufen
lassen. Sind mehrere Fahrer auf einer unbekannten Strecke unterwegs, sollte derjenige
mit mehr Erfahrung vorfahren.
Was ist zu tun, wenn Gräben, Schlaglöcher oder Rinnen auftauchen?
Sabine Spitz: Immer wieder tauchen plötzlich Hindernisse auf der Strecke auf, die eine
schnelle Reaktion erfordern. Das Motto: Immer auf den Bike aktiv sein. Mit etwas Übung
gelingt es, zunächst das Vorder-, dann das Hinterrad oder – zumeist noch einfacher – das
komplette Fahrrad hochzuziehen, über das Hindernis zu springen und das Bike dahinter
wieder sicher aufzusetzen. Das hört sich schwieriger an, als es ist.
Weitere Trainings-, Fitness- und Ernährungstipps finden Sie unter
www.centralghostproteam.de
Köln, 31. März 2009