(NL/9241019904) Wenn Victoria Rollstuhltanz macht oder Keyboard spielt, ist sie glücklich. Die junge, selbstbewusste Frau hört am liebsten Status Quo und Carlos Santana. Musik ist ihr Leben, sagt ihr Vater Wolfgang Vogt. Als Victoria als sog. Frühchen zur Welt kam und aufgrund anschließender Komplikationen mit schweren Behinderungen nach Hause entlassen wurde, hätte das niemand gedacht. Aber gehofft haben ihre Eltern immer, und sie haben mit ihrer Tochter zusammen gearbeitet mit großem Erfolg.
Victoria wurde vor 25 Jahren in der 27. Schwangerschaftswoche geboren. Nach einer schweren Hirnblutung kam sie nach sechs Monaten blind, mit Hydrocephalus, Zerebralparese und der Prognose Kontaktunfähigkeit nach Hause. Ihre Eltern bekamen von den zuständigen Klinikärzten kaum Antworten auf Fragen nach den Auswirkungen. Die zeigten sich erst nach und nach im Alltag. Aber es zeigte sich auch, dass Victoria entgegen der Vorhersage der Ärzte auf Reize und Berührungen reagierte. Verschiedene klassische Therapien unterstützten die Entwicklung des Mädchens. Als Victoria vier Jahre alt war, erfuhren die Vogts von der Konduktiven Förderung nach Petö in Ungarn. Im Jahr 1992 machte sich die Familie mit Victoria und ihrer zweiten Tochter Franziska auf den Weg nach Budapest ins Petö-Institut und merkte schnell, dass die Konduktive Förderung sowohl Victoria als auch der gesamten Familie gut tat.
Das System der Konduktiven Förderung stellt besonders für Kinder und Erwachsene mit Schädigungen des Zentralnervensystems eine nachhaltige Hilfe dar. Nach diesem ganzheitlichen Ansatz werden Störungen als Lernhindernisse verstanden. Durch die Aktivierung des eigenen Tuns insbesondere anhand von Alltagssituationen können diese überwunden werden. So spricht z.B. die Anleitung zum Aufdrehen eines Wasserhahnes sowohl die motorischen und kognitiven Fähigkeiten an als auch die sozialen und emotionalen Bereiche: Eine solche Handlung schult die Beweglichkeit, bringt in Kontakt und macht vor allem stolz auf die eigene Leistung.
Die Vogts waren immer wieder für längere Zeit in Budapest und übernahmen die Konduktive Förderung zunehmend in ihren Alltag. Laut Wolfgang Vogt bedeutete das, Victoria die Alltagshandlungen nicht aus der Hand zu nehmen, sondern ihr zu ermöglichen, es selbst zu tun. In dieser Zeit aktivierte Victoria ihr Restsehvermögen, lernte zu sprechen, zu sitzen und sogar mit Vierpunktstützen zu gehen. Unsere Tochter hat riesige Fortschritte gemacht, freut sich Vogt. Sie hat sich zu einer selbstbewussten jungen Frau entwickelt, die weiß, was sie will: Nämlich eigen-aktiv am Leben teilnehmen und nicht daneben stehen. Ihre Lebensfreude ist wirklich bezeichnend.
Wolfgang Vogt gab aufgrund dieser Erfahrungen seinen Beruf auf und engagierte sich in den 1990er Jahren für die Etablierung der ersten konduktiven Einrichtungen in Deutschland. Heute ist er Vorsitzender von Fortschritt Würzburg e.V. sowie des Bundesverbands Konduktive Förderung nach Petö e.V.
Aktuell organisiert Vogt gemeinsam mit dem Bundesverband der in Deutschland tätigen KonduktorInnen e.V., Phoenix gemeinnützige GmbH der Stiftung Pfennigparade aus München, dem Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg e.V. und Fortschritt Starnberg e.V. den 8. Weltkongress Konduktive Förderung, der erstmals in Deutschland stattfindet:
Unter dem Motto Rhythm & Balance werden Fachleute und Interessierte aus aller Welt vom 9. bis zum 12. Oktober 2013 die Gelegenheit haben, sich im Veranstaltungsforum Fürstenfeld in Fürstenfeldbruck/München umfassend über die Konduktive Förderung zu informieren. In Vorträgen von internationalen Experten, Diskussionen und Workshops wird es u.a. um neurophysiologische Aspekte in Bezug auf Rhythmus und Gleichgewicht, Einsatzmöglichkeiten der Konduktiven Förderung in Kindergarten, Schule und Ausbildung, Integration und Inklusion, Sport und Freizeit, Erwachsenenbildung sowie Wohnformen und Arbeitsleben gehen.
Rhythmus und Balance spielen auch in Victorias Leben eine sehr wichtige Rolle. Am Weltkongress wird sie mit ihrer Familie teilnehmen und bei verschiedenen künstlerischen und sportlichen Aktionen am offenen Familientag (Samstag, 12. Oktober) mitmachen. Sie freut sich insbesondere darauf, beim Weltkongress den Sänger PJ Olsson von Alan Parsons Project mit dem Song des Kongresses Magic zu hören: Oh toll, ich will tanzen!.