Sorgen vergessen, Schmerzen und Ängste
überwinden, neugierig sein und etwas ausprobieren - es gibt viele
Gründe, warum jemand anfängt Alkohol zu trinken, zu Tabletten oder zu
anderen Drogen greift. Die Selbsterkenntnis, dass da etwas schief
läuft, tritt allerdings in den wenigsten Fällen ein. "Das Wichtigste
überhaupt ist, dass Angehörige oder diejenigen, die etwas bemerken,
die Sucht sensibel aber mit Offenheit thematisieren.", erklärt Marie
Hofmann, im DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.)
organisierte Ergotherapeutin und in einer Rehaklinik für Alkohol- und
Medikamentenabhängige tätig. "Sich in die Heimlichtuerei oder in
Ausreden eines Suchterkrankten einbinden zu lassen, bewirkt
lediglich, dass man ganz schnell Teil seines Suchtsystems wird." Um
suchtkranken Menschen zielführend und nachhaltig zu helfen, bedarf es
einer interdisziplinären Behandlung. Dabei spielt die Ergotherapie
eine wichtige Rolle, da sie körperliche und psychische Aspekte
berücksichtigt und vor allem das Leben "danach" in gute Bahnen lenkt.
Wer in die Rehaklinik kommt, in der Marie Hofmann als
Ergotherapeutin arbeitet, hat häufig schon viele Jahre Alkohol- oder
Tablettenmissbrauch hinter sich und einen Aufenthalt von wenigsten
acht bis sechzehn Wochen vor sich. Die so genannten Rehabilitanden
sind dann bereits körperlich entgiftet, haben etwa zwanzig Tage lang
keinen Alkohol mehr getrunken. Bei Medikamentenabhängigen geht das
leider nicht so schnell: Wer tablettensüchtig ist, muss mit ein bis
zwei Jahren Entgiftungszeit rechnen. Erst, wenn der Körper den
vollständigen Entzug vom Alkohol geschafft hat, können die Fachleute
in der Klinik mit ihrer Rehabilitationsarbeit anfangen;
Tablettenabhängige können schon während ihrer sehr langen
Entgiftungsphase mit der Reha starten. Psychische Unterstützung
gehört ebenso zur Rehabilitationsbehandlung wie ganz viele praktische
Dinge, denn jetzt heißt es auch, sich auf das Leben nach der Zeit in
der Klinik vorzubereiten. Diejenigen, die den Höllentrip "Entzug"
überstanden haben, sind motiviert, ihr neues Leben besser zu
gestalten. Und bei dieser elementaren Aufgabe wirken Ergotherapeuten
mit.
Ergotherapie schlägt Brücken
Suchterkrankte haben jahrelang nach einem Muster gelebt: Zur
Entspannung, bei Gefühlen der Ausweglosigkeit oder bei Ängsten
genügte der Griff zur Flasche oder in die Pillendose. "Ich als
Ergotherapeutin erfrage daher immer: 'Wie ist die Situation zuhause
oder im Beruf, was könnte kritisch sein, was könnten Faktoren sein,
die einen Rückfall fördern'. Mit dieser Spurensuche kann ich mit
meinen Klienten gemeinsam Ideen für Ersatzaktivitäten und
gegebenenfalls eine berufliche Neu- oder Umorientierung entwickeln,
damit die Sucht nicht wieder die Oberhand gewinnt.", erläutert die
erfahrene Ergotherapeutin ihr Vorgehen. Ihr ist sehr bewusst, dass
die Rehabilitanden in einer Art Parallel-Kosmos leben und daher ist
es für sie von zentraler Bedeutung, so früh wie möglich Brücken zu
schlagen. Dafür setzt sie ein Selbsthilfetraining für
Handlungskompetenz im Alltag ein. Sie ermutigt ihre Klientinnen und
Klienten, schnellstmöglich Pläne, die sie zusammen für ihr Leben
zuhause entwickelt haben, schon in der Rehaklinik in die Tat
umzusetzen. Sieht ein Entzugspatient eine sinnvolle
Ausweichbeschäftigung in sportlichen Aktivitäten, motiviert
Ergotherapeutin Hofmann ihn beispielsweise für die Anmeldung im
Sportverein am Wohnort. Um das Ganze zu verstärken, regt sie an, dass
sich die Rehabilitanden nach Möglichkeiten für das regelmäßige
Mittrainieren in einem Verein oder einem Fitnessstudio vor Ort, also
in der Nähe der Klinik, bemühen. So findet eine teilweise Integration
ins "echte" Leben bereits in dieser Phase statt. Auch die berufliche
Wiedereingliederung gehört in den Bereich der Ergotherapie und wird
jetzt vorbereitet: Ist die Rückkehr an den alten Arbeitsplatz möglich
und sinnvoll? Oder läuft der Patient Gefahr, dort ständig mit Alkohol
oder anderen Mittteln mit Suchtportenzial konfrontiert zu sein? Und
welche Ressourcen stecken in diesem Menschen, wie können sie genutzt
werden, um ein erfülltes Leben auch auf dieser Eben zu führen? In all
diesen Belangen erfahren die Rehabilitanden Anregung und
Unterstützung von ergotherapeutischer Seite.
Herr über Alkohol und Drogen werden und bleiben
In der Ergotherapie geschieht immer alles mit dem Blick auf die
Alltagstauglichkeit, es wird berücksichtigt: Was macht Sinn, was
entspricht den Bedürfnissen und dem Lebensmodell der Klienten.
Ergotherapeuten, die in Reha-Kliniken arbeiten, bieten daher
beispielsweise Meditationsgruppen, Achtsamkeitstraining und
Wahrnehmungstraining mit verschiedenen Wahrnehmungsübungen an. Mit
solchen Techniken aus der Ergotherapie gelingt es den Patienten, sich
auf ihre Wünsche und Ziele zu konzentrieren. Denn sie bleiben auch
nach der Therapie rückfallgefährdet. Treten dann wieder
Schwierigkeiten auf, wissen sie, wie sie Herr über ihre Gedanken
bleiben und mit Sorgen und Ängsten besser umgehen können.
Zusammengefasst ist das Ziel der ergotherapeutischen Behandlung,
gemeinsam mit dem Klienten gesund erhaltende Betätigungen und
Aktivitäten zu identifizieren und in den Alltag zu integrieren. Diese
sind wichtig um kritische Situationen, die erneut zu Alkohol & Co.
verführen könnten, zu entschärfen.
Mehr hilfreiche Informationen zu diesem und weiteren Themen bietet
der Deutsche Verband der Ergotherapeuten e.V. (DVE) unter
www.dve.info
Zusatzinfo: Ein Blick in die Welt der Sucht
Durch Alkoholmissbrauch ist alles gedeckelt: die Gefühle, das
Wesen, das Kognitive.
Medikamentenabhängige können lange konsumieren, bevor es auffällig
wird.
Neben den landläufig bekannten Problemen mit Drogen, Alkohol,
Medikamenten, Nikotin, etc. zählen auch Essstörungen wie Magersucht,
Bulimie oder Adipositas, also starkes Übergewicht, zu den
Suchterkrankungen
Sucht ist eine chronische Krankheit - die Gefahr des Rückfalls
bleibt. Jeder Suchterkrankte kann jederzeit wieder erkranken, selbst
nach 20 Jahren Abstinenz kann es zum erneuten Ausbruch kommen.
Schon bevor von einer Sucht die Rede ist, können beeinträchtigte
Menschen Hilfe in der Ergotherapie finden. Gefährdet ist
beispielsweise, wer massive Probleme hat, sich zu entspannen oder
sich zu konzentrieren. Alarmierend ist auch, wenn die Alltagsplanung
aus den Fugen geraten ist. Ergotherapie ist eine gute Anlaufstelle,
um diese Fähigkeiten wiederzuerlangen und den Alltag zu managen, den
Tag zu strukturieren.
Informationsmaterial erhalten Interessierte bei den
Ergotherapeuten des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten e.V.
(DVE). Diese sind über die Therapeutensuche auf www.dve.info.zu
finden.
Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V. (DVE)
Telefon: 033203 - 80026, E-Mail: a.reinecke@dve.info