berg - Wissenschaftler der Stanford Universität in Kalifornien haben in Zusammenarbeit mit Münchner Wissenschaftlern von der Technischen Universität München und dem Helmholtz Zentrum München erstmals gezeigt, dass spezifische Immunzellen in das Krankheitsbild der Narkolepsie involviert sind: Genetische Varianten im T-Zellrezeptor sind mit Narkolepsie assoziiert. Patienten mit Narkolepsie leiden an einer außergewöhnlichen Tagesschläfrigkeit, einem abnormen Schlafrhythmus sowie Kataplexien, plötzlich auftretendem Kontrollverlust über die Muskeln. Einer von 2000 Menschen ist von Narkolepsie betroffen. Die Arbeit, die in der aktuellen online-Ausgabe von Nature Genetics publiziert ist, könnte Immunologen helfen, auch den Mechanismus weiterer Autoimmunerkrankungen wie z.B. der Multiplen Sklerose oder von jugendlichem Diabetes mellitus zu verstehen.
Patienten mit Narkolepsie leiden an einem ausgesprochenen Schlafzwang bzw. einer erhöhten Schläfrigkeit am Tage, die unwiderstehlich werden kann. Die Patienten schlafen tagsüber plötzlich für wenige Sekunden bis zu mehreren Minuten ein. In der Nacht kommt es zu einem verschobenen Schlafrhythmus, so dass man im Schlaflabor bei den Patienten bereits kurz nach dem Einschlafen Traumphasen messen kann. Weiterhin kommt es zu so genannten "Kataplexien". Hierunter versteht man einen plötzlich auftretenden, vorübergehenden Kontrollverlust über die Muskeln bei vollem Bewusstsein. Der Patient fällt förmlich in sich zusammen, ist dabei aber wach.
Wissenschaftler forschen seit langem an der Rolle des körpereigenen Immunsystems bei der Entstehung der Narkolepsie. Eine wichtige Funktion übernehmen dabei bestimmte Zellen im Gehirn, die das Wach-Hormon Hypocretin produzieren. Narkolepsie-Patienten haben weniger Zellen, die Hypocretin produzieren und damit weniger Hypocretin mit der Folge einer erhöhten Schläfrigkeit.
Ein internationales Konsortium unter Leitung von Prof. Emmanuel Mignot, Stanford University hat in Zusammenarbeit mit Münchner Wissenschaftlern um Privatdozentin Juliane Winkelmann vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität (Neurologische Klinik und Institut für Humangenetik) und dem Helmholtz Zentrum München das Genom von insgesamt 1800 Narkolepsie-Patienten und gesunden Probanden untersucht. Als Kontrollpopulation dienten ihnen unter anderem Probanden der Populationsstudie KORA, die von Prof. H.-Erich Wichmann, Direktor des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München geleitet wird.
Analysiert wurden Sequenz-Varianten (SNPs), die über das gesamte Genom verteilt waren. Beim Vergleich der Sequenzen zwischen Patienten und Kontrollen konnten Varianten im T-Zellrezeptor identifiziert werden, die mit der Narkolepsie assoziiert sind. Dieser Rezeptor kommt auf Zellen vor, die in der Immunantwort eine wichtige Rolle spielen. 90 Prozent der Narkolepsiepatienten sind Träger eines bestimmten HLA-Typs. Das Immunsystem verwendet das HLA-System, um zwischen körpereigenen und körperfremden Zellen zu unterscheiden. Das Zusammenspiel zwischen dem HLA-System und dem T-Zellrezeptor, so legt die Untersuchung nahe, führt zur Zerstörung der Hypocretin-produzierenden Zellen im Hypothalamus von Narkolepsiepatienten.
Bisher konnte bei keiner anderen Autoimmunerkrankung eine Verbindung zwischen HLA- und T-Zell-Varianten hergestellt werden. Wenn man weiß, was bei der Entstehung der Narkolepsie passiert, so hoffen Wissenschaftler, erhält man auch einen besseren Einblick in die Mechanismen der T-Zelle bei anderen Autoimmunerkrankungen.
Originalveröffentlichung: Joachim Hallmayer, Juliette Faraco, Ling Lin, Stephanie Hesselson, Juliane Winkelmann, Minae Kawashima, Geert Mayer, Giuseppe Plazzi, Sona Nevsimalova, Patrice Bourgin, Sheng Seung-Chul Hong, Yutaka Honda, Makoto Honda, Birgit Högl, William T Longstreth Jr, Jacques Montplaisir, David Kemlink, Mali Einen, Justin Chen, Stacy L Musone, Matthew Akana,Taku Miyagawa, Jubao Duan, Alex Desautels, Christine Erhardt, Per Egil Hesla, Francesca Poli, Birgit Frauscher, Jong-Hyun Jeong, Sung-Pil Lee, Thanh GN Ton, Mark Kvale, Libor Kolesar, Marie Dobrovolna, Gerald T Nepom, Dan Salomon, H-Erich Wichmann, Guy A Rouleau, Christian Gieger, Douglas F Levinson, Pablo V Gejman, Thomas Meitinger, Terry Young, Paul Peppard, Katsushi Tokunaga, Pui-Yan Kwok, Neil Risch Emmanuel Mignot. Narcolepsy is strongly associated with the T-cell receptor alpha locus. Nature Genetics, Advance Online Publication, 03.05.2009 (doi:10.1038/ng.372)
Das Institut für Humangenetik am Helmholtz Zentrum München (Direktor: Prof. Dr. Thomas Meitinger) beschäftigt sich mit der Identifizierung von Erkrankungsgenen und deren funktioneller Charakterisierung. Im Mittelpunkt der Forschungsprojekte stehen genomweite DNA- und RNA-Untersuchungen, durchgeführt zur Aufklärung der genetischen Ursachen komplexer Erkrankungen vor allem auf dem Gebiet der Neurologie und der Kardiologie. Ein weiterer Schwerpunkt ist die systemische Analyse des Zusammenwirkens von genetischer Varianz und Umweltfaktoren über proteomische Methoden.
Das Helmholtz Zentrum München ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1680 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 15 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit insgesamt 26500 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.
Das Klinikum rechts der Isar der TU München widmet sich mit rund 4.000 Mitarbeitern der Krankenversorgung, der Forschung und der Lehre. Jährlich profitieren rund 50.000 Patienten von der stationären und rund 170.000 Patienten von der ambulanten Betreuung auf höchstem medizinischem Niveau. Das Klinikum ist ein Haus der Supra-Maximalversorgung, das das gesamte Spektrum moderner Medizin abdeckt. Durch die enge Kooperation von Krankenversorgung und Forschung kommen neue Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien frühzeitig dem Patienten zugute. Seit 2003 ist das Klinikum rechts der Isar eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaats Bayern.
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