Wissenschaftler aus aller Welt kommen aus dem Staunen nicht heraus. Im Rahmen des Tropensymposiums, welches vom 3. bis 8. Mai 2009 zum sechsten Mal im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn abgehalten wird, sind 94 neu entdeckte Amphibienarten aus der Insel Madagaskar im indischen Ozean der Öffentlichkeit präsentiert worden. Laut den Ergebnissen der aktuellen Katalogisierungsarbeiten der Forscher steigt somit die bisherige Zahl von beschriebenen Amphibienarten aus der roten Insel auf insgesamt 224, was ca. das Siebenfache der Artenvielfalt in Zentraleuropa darstellt. Aber die Geschichte ist hiermit längst nicht zu Ende. Laut Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung München gibt es auf Madagaskar schätzungsweise mindestens 500 Arten von ausschließlich hier vorkommenden Fröschen, die nur auf ihre Entdeckung warten.
Diese massive Entdeckungsschwelle von bisher unbekannten Tierarten zeigt uns, wie fern die Wissenschaft von einer endgültig abgeschlossenen Katalogisierung der Spezies ist. Gerade Madagaskars unglaubliche Biodiversität scheint eine unerschöpfliche Wissensquelle für Forscher zu sein. Die Geschichte der Insel begann vor mehr als 160 Millionen Jahren, als sich die Insel vom afrikanischen Kontinent löste. Säugetiere gab es damals auf unserer Erde noch nicht, sie entwickelten sich erst 100 Millionen Jahre später. Deshalb fehlen auf Madagaskar die typischen afrikanischen Tiere. Außer Fledermäusen, die von Afrika herüberfliegen konnten, existiert hier keine Säugetierart, die sonst auf der Welt vorkommt, dafür allerdings eine Reihe von Tieren, die es eben nur auf Madagaskar gibt. 85% der Pflanzen, 39% der Vögel, 91% der Reptilien, 99% der Amphibien und 100% der Lemuren sind hier endemisch, das heißt sie kommen also weltweit nur hier vor.
Der enorme Naturreichtum dieser biologischen Arche Noah ist heute allerdings stark bedroht. Der schwere politische Machtkampf um die Regierungsposten, der die Hauptstadt Antananarivo Anfang des Jahres erschütterte und mit der Flucht des demokratisch gewählten Präsidenten Marc Ravalomanana endete, beließ die zahlreichen Nationalparks des Landes wehrlos vor den illegalen Aktionen skrupelloser Holzhändler-Mafias und Tierschmuggler. Insbesondere in den artenreichen Regenwäldern von Masoala, Mananara und Marojejy im Nordosten des Landes ist es laut Berichten zu einer massiven Plünderung der Naturschätze gekommen. Aber dieses Problem wurde laut Guy Suzon, Direktor des Verwaltungsbüros der Madagaskar Nationalparks, bereits in Angriff genommen. Langsam werden die eingedrungenen Wilderer mit der Hilfe eingekehrter Wildhüter vertrieben. Bald sollen die drei Parks für Besucher wieder normal zugänglich sein.
Welche verheerenden Folgen politische Instabilität und ausgebliebene Touristen für den Erhalt des fantastischen Naturreichtums der Insel haben können, wurde eindeutig bewiesen. „Ohne Besucher kein Geld, ohne Geld kein Schutz“ sagt Cristina Sanchez, Geschäftsführerin des für Naturreisen spezialisierten Veranstalters Planeta Verde. Michael Horn, madagassischer Touristiker und Mitglied der Taskforce zur Wiederankurbelung des Tourismus ist sich einig. Eine Maßnahme wurde bereits eingeführt: die Visumsgebühren für Aufenthalte bis max. 1 Monat wurde bis Ende 2009 abgeschafft.
Madagaskar müsste die Tourismusindustrie wieder beleben und zwar dringend. „Der Sicherheitshinweis des deutschen auswärtigen Amts bezieht sich lediglich auf einige Quartiere in der Hauptstadt. In den Provinzen ist es sehr ruhig, und wir haben verschiedene Kunden vor Ort, und keiner hatte irgendwelche Probleme“ sagt Herr Horn. Laut lokalen Medien sollen bereits Ende diesen Jahres Neuwahlen stattfinden. „Wir sich zuversichtlich, dass sich die Lage dann weiter massiv beruhigen wird.“