Produktionsunternehmen in Deutschland werden in
Zukunft auf breiter Ebene flexible Arbeitszeitmodelle und verstärkt
auch Teilzeit anbieten, um ihren Arbeitskräftebedarf erfolgreich zu
decken. Das ist eine zentrale Aussage beim jüngsten Fachkolloquium
des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) in
Düsseldorf. "Getrieben wird dieser Trend zum einen von einem
veränderten Bedürfnis der jungen Generation, die über die Entlohnung
hinaus größeren Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legt",
erklärte ifaa-Direktor Professor Dr.-Ing. Sascha Stowasser bei dieser
Fachveranstaltung. Zum anderen sind flexible Arbeitsmodelle
erforderlich, damit auch ältere Menschen weiter aktiv in einem
Produktionsberuf bleiben können, deren individuelle
Leistungsfähigkeit einer Vollzeitstelle möglicherweise nicht mehr
gerecht wird. Stowasser: "Wir müssen und können mit
arbeitswissenschaftlicher Unterstützung Voraussetzungen dafür
schaffen, dass Menschen bis tief ins siebte Lebensjahrzehnt hinein
beruflich und wertschöpfend aktiv bleiben." Ausdrücklich ermutigte
Professor Stowasser auch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU),
sich mit Arbeitszeitflexibilisierung zu befassen. "Das ist eine
wichtige Zukunftsfrage des Employer Branding im härteren Wettbewerb
um Arbeitskräfte." Das ifaa baut derzeit eine Datenbank mit
Best-Practice-Beispielen auf, an denen sich KMU orientieren können.
Über Teilzeitmodelle in der Produktion denkt aktuell auch die BMW
Group nach, die seit den 90er-Jahren eine Vorreiterin flexibler
Arbeitszeitmodelle ist. Marc Groenninger, Leiter Arbeitszeitsysteme:
"Mehr Arbeitszeitflexibilität und Teilzeitmodelle helfen uns auch,
eine stille Reserve am Arbeitsmarkt für produzierende Unternehmen zu
gewinnen - zum Beispiel Frauen, die sich wegen der Geburt eines
Kindes aus dem Job zurückgezogen haben." Frauen wollen im Anschluss
an die Babypause oft wieder arbeiten, "sehen aber bis dato
möglicherweise im Schichtsystem keine Chance für sich", so
Groenninger. Eine Verwendung von Teilzeitkräften im Schichtsystem ist
beispielsweise in Pausendurchläufen möglich. Die Stammbelegschaft
geht in die Pause, und Teilzeitkräfte füllen die Lücken, sodass der
Betrieb lückenlos weiterarbeiten kann.
BMW-Experte Groenninger stellte Konzernzahlen vor, die zum einen
belegen, dass der Bedarf an Flexibilisierungsmaßnahmen im Konzern
ständig steigt. Sie zeigen zum anderen aber auch, dass die
Belegschaften von den umfassenden Flexibilisierungsangeboten bei BMW
Gebrauch machen. Im Jahr 2012 nahmen 514 von rund 80.000 Mitarbeitern
deutschlandweit die Möglichkeit eines Sabbaticals in Anspruch. Die
Teilzeitquote erhöhte sich in den vergangenen fünf Jahren von 4,2 %
(2007) auf 5,4 % (2012). Groenninger: "Vielen Mitarbeitern bei uns
ist es schlicht wichtig zu wissen, dass diese
Flexibilisierungsmöglichkeiten angeboten und in Anspruch genommen
werden könnten, wenn es beispielsweise in der Familie pressiert, weil
das Kind krank ist. Die tatsächliche Nutzung beschränkt sich auf die
tatsächlichen Bedarfe."
Auch Pflegebedarf in der Familie ist ein wichtiger
Nachfragetreiber für mehr Arbeitszeitflexibilität. "Die
Babyboomer-Generation, auf deren Arbeitsleistung die Unternehmen
angewiesen sind, lebt in einem Sandwich: Auf der einen Seite sind die
Kinder noch nicht ganz aus dem Haus. Auf der anderen Seite sind
möglicherweise schon pflegebedürftige Eltern vorhanden; das stellt
hohe Anforderungen an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, auf
die Unternehmen erfolgreich mit flexiblen Arbeitszeitangeboten
reagieren können", erklärte Dr. habil. Sonia Hornberger vom Institut
für Arbeits- und Personalmanagement der AUDI AG.
ifaa-Direktor Professor Sascha Stowasser: "Demografische Prozesse
und auch neue Lebenseinstellungen der jüngeren Generation lassen den
Bedarf nach flexibleren Arbeitszeiten bis hin zum verstärkten Einsatz
von Teilzeitarbeit wachsen. Die positiven Erfahrungen der
Unternehmen, die wir auch bei diesem Fachkolloquium kennengelernt
haben, sind ein ermutigendes Signal, mehr Flexibilität zu wagen."
Das ifaa-Fachkolloquium findet statt im Van der Valk Airporthotel
Düsseldorf und endet am heutigen Mittwoch, den 5. Juni. Referenten
der BMW Group, der HELLA KGaA Hueck & Co., der ThyssenKrupp
Rasselstein GmbH, der Airbus Operations GmbH und der AUDI AG nahmen
zum Thema Arbeitszeitflexibilität Stellung.
Interview-Ansprechpartner: Professor Dr.-Ing. Sascha Stowasser,
Dipl.-Psychologin Corinna Jaeger, Institut für angewandte
Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa)
Pressekontakt:
Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa)
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Düsseldorf,
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