fit und munter - Viel Berliner Lokalkolorit - Wo der Kaiser U-Bahn fuhr und um die Ecke von Onkel Toms Hütte

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Viel Berliner Lokalkolorit - Wo der Kaiser U-Bahn fuhr und um die Ecke von Onkel Toms Hütte

Der Berliner Autor Dietrich Novak hat einen neuen Roman herausgebracht, der wiederum in seiner Heimatstadt Berlin spielt. Wer Lust hat, eine Zeitreise in die fünfziger und sechziger Jahre zu unternehmen, wird voll auf seine Kosten kommen.
„Such mich in Berlin“ heißt die Aufgabe der Selbstfindung für Marie und Vera, zwei moderne, junge Frauen aus Berlin, die beide den Verdacht haben, schon einmal in der deutschen Hauptstadt gelebt zu haben. In ihren Träumen und Visionen erlebt sich Marie als „Cindy“, die Tochter einer Deutschen und eines amerikanischen GI. Die elterliche Wohnung glaubt sie in der Nähe des U-Bahnhofs Onkel Toms Hütte wiedergefunden zu haben, weil es dort immer noch Überbleibsel ihrer heißgeliebten Mickey-Mouse-Tapete gibt. Durch alte Zeitungen kommt sie einer Familientragödie in den fünfziger Jahren auf die Spur und verliert sich in Rachefantasien gegenüber der vermeintlich Schuldigen. Ihre Freundin Vera hingegen meint, zu Zeiten des Kalten Krieges in Ost-Berlin eine unglückliche Liebe erlebt zu haben. Sie setzt alles daran, ihren damaligen Liebsten erneut zu erobern. Kein leichtes Unterfangen, wie man sehen wird.
„Such mich in Berlin“, der neue Roman des Berliner Schriftstellers Dietrich Novak, ist im Berliner hnb-verlag erschienen (ISBN 978-3-943018-34-9, 13,90 Euro). Eine spannende Spurensuche, die bis zum Schluss in Atem hält.

„Meine Liebe gehört nun mal den fünfziger Jahren mit ihrem Wirtschaftswunder, als die Leute sich noch an kleinen Dingen wie einer Kinokarte erfreuen konnten“, sagt der waschechte Berliner Dietrich Novak, dessen Erstlingswerk unter dem Titel „Blümchen, Streifen und Rollmops“ ebenfalls im hnb-verlag herauskam (ISBN 978-3-943018-06-6, 16,90 Euro). Warum dieser seltsame Titel? „Weil man an Tapeten den Zeitgeschmack und die wechselnden Ansichten der Menschen gut ablesen kann.“ Der Roman behandelt nämlich das gesamte vorige Jahrhundert am Beispiel eines typischen Berliner Altbaus und der Schicksale seiner Mieter. Thematisiert werden zwar Ereignisse in ganz Berlin, aber Standort des Hauses ist der Kaiserdamm in Charlottenburg, wo schon der Kaiser U-Bahn fuhr und um die Ecke eine Menge passierte wie die Errichtung des Funkturms, der Messehallen, des Hauses des Rundfunks und des ICC. All das fließt in die Geschichte mit ein. Der „Rollmops“ erklärt sich damit, dass eine Mietpartei ein Fischgeschäft hat, und da man Fischfrauen nachsagt, nicht auf den Mund gefallen zu sein, wird einiges an urkomischen Dialogen geboten, die zum Teil in Berliner Mundart verfasst sind.
„Aus meiner Kindheit kenne ich noch die berühmt-berüchtigten Portierschen“, erzählt der Autor. „Berliner Urgesteine, mit der französischen Concierge zu vergleichen, geliebt und gefürchtet wegen ihrer „Kodderschnauze“ und ihres oft knallhart geführten Regiments. An denen kam keiner vorbei, und den neuesten Klatsch gab es gratis.“
Ein ganzes Jahrhundert in einem Roman, geht das? „Sehr gut, wenn man sich auf die wesentlichen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignisse beschränkt. Da bleibt sogar noch Raum für die unterschiedlichen Mode- und Musikstile, das Kino- und Theaterprogramm und vieles mehr.“

Werden die Leser mit so viel geballter Mundart nicht überfordert? „Keineswegs, denn zwischendurch wird ja auch Hochdeutsch gesprochen, und wer das eine oder andere nicht versteht, dem empfehle ich mein Buch „Kariert jequatscht und abjelacht“, ein Wörterbuch über die Berliner Mundart“ (hnb-verlag, ISBN 978-3-943018-18-9, 13,90 Euro), lächelt Dietrich Novak. „Da tauchen Alt-Berliner Begriffe auf, von denen manch einer noch nie etwas gehört hat. Oder wussten Sie, was ein Tintenproppen (Zylinder) ist? Na, seh’n Se. Ich fand, es war an der Zeit, dass mal ein echter Berliner so ein Wörterbuch schreibt, der die Begriffe noch aus eigener Anschauung bzw. Anhörung kennt. In dieser Hinsicht wird nämlich viel Unsinn verzapft.“
In der deutschen Hauptstadt, wo sich immer alles etwas ruppiger anhört, als es gemeint ist, kann man sich über den Erfindungsreichtum der „Berliner Schnauze“ köstlich amüsieren, und man muss wohl „mit Spreewasser getauft sein“ oder zumindest die „Berliner Luft“ geatmet haben, um dies nicht übel zu nehmen, sondern sich im Ernstfall „halb tot zu lachen“, so der Klappentext des Wörterbuchs. Ergänzt wird die umfangreiche Stichwortliste durch humorvolle Dialoge und pfiffige Comiczeichnungen von Rudolf Schuppler. Eine sprachliche Entdeckungsreise durch (Alt-)Berlin.

„Jetzt muss man aber nicht denken, ich hätte mein Pulver schon verschossen. Berlin mit seinen Menschen, seinem unverwechselbarem Dialekt und seiner Geschichte werden mich wohl nie loslassen. Es gibt noch viel zu berichten und zu erzählen“, so Dietrich Novak.
Wir dürfen gespannt sein.

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