Die Trennung von gesetzlicher (GKV) und privater
Krankenversicherung (PKV) wird heftig diskutiert. Ein Rechtsgutachten
zu konzeptionellen und rechtlichen Fragen der Schaffung eines
einheitlichen Krankenversicherungsmarktes bringt Klarheit: "Derzeit
herrscht eine eher unsachliche und stark ideologisch geprägte Debatte
über die Chancen und Risiken eines einheitlichen
Versicherungsmarktes. Das Gutachten soll zur Versachlichung der
Diskussion beitragen, denn letztlich entscheidet die
Zukunftstauglichkeit und Realisierbarkeit eines jeden Vorschlags über
dessen Güte", so Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der
AOK Baden-Württemberg.
Im Auftrag der AOK Baden-Württemberg haben die beiden renommierten
Professoren Thorsten Kingreen und Jürgen Kühling von der Universität
Regensburg erstmalig ein detailliertes Rechtsgutachten zur
Integration von GKV und PKV in eine "monistische
Einwohnerversicherung" erstellt. Sie ist "monistisch", weil die
Unterscheidung zwischen GKV und PKV hinfällig wird, und sie ist an
den Wohnsitz und nicht etwa an die Arbeitnehmereigenschaft oder einen
sonstigen sozioökonomischen Status gebunden, daher eine
Einwohnerversicherung.
"In einem solchen System kann sich der Versicherte seinen
Krankenversicherungsanbieter vollkommen frei aussuchen und kann
diesen Anbieter auch regelmäßig wechseln. Sämtliche
Krankenversicherer sind verpflichtet, alle Personen zu versichern.
Die Prämie darf dabei nicht vom Alter oder Gesundheitszustand
abhängig gemacht werden", erklärt Kingreen. "Damit würde ein
dezidiert wettbewerbliches System entstehen; genau das Gegenteil der
vielfach beschworenen 'Einheitskasse'", ergänzt Kühling.
Um auch den bisherigen PKV-Unternehmen die Teilnahme an einem
Wettbewerb mit einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu
ermöglichen, müsse Kingreen zufolge eine private Rechtsform für die
Versicherungsanbieter gewählt werden: "Die Organisation in
sogenannten Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist
be-sonders empfehlenswert, denn dadurch kann einerseits an eine in
der PKV weit verbreitete Rechtsform angeknüpft werden und
andererseits auch der traditionelle Selbstverwaltungspfad der GKV
beibehalten werden", so Kingreen weiter.
Die Autoren prüfen in ihrem Gutachten die monistische
Einwohnerversicherung insbesondere auch auf die Vereinbarkeit mit
geltenden verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben.
"Schlussendlich bestehen gegen den Vorschlag eines monistischen
Krankenversicherungsmarktes keine rechtlichen Bedenken", so Kühling.
Die Umsetzung darf nicht am fehlenden politischen Willen scheitern.
"Die Politik ist somit aufgefordert, die Zeichen der Zeit richtig zu
interpretieren und endlich zu handeln. Ein gemeinsamer
Krankenversicherungsmarkt ist überfällig und nun nachweislich auch
rechtlich möglich", betont der AOK-Chef Hermann.
Auch aus Sicht der beiden Autoren ist die Zweiteilung des
Krankenversicherungssystems nicht mehr zeitgemäß: "Der derzeitige
Systemwettbewerb setzt vielseitige Fehlanreize: So konzentriert sich
etwa der Wettbewerb auf junge, gesunde Gutverdiener, nicht aber auf
die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung Kranker. Zudem
führen die unterschiedlichen Vergütungssätze zu falschen Anreizen für
Leistungserbringer", so Kingreen.
Hinweis an die Redaktionen:
Das Gutachten "Monistische Einwohnerversicherung, Konzeptionelle
und rechtliche Fragen der Transformation der dualen in eine
integrierte Krankenversicherungsordnung" von Thorsten Kingreen und
Jürgen Kühling ist kürzlich im Nomos Verlag erschienen. Eine
Zusammenfassung der Ergebnisse ist unter www.aok-bw-presse.de
abrufbar.
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Vera Weitzdörfer
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