(NL/8251509370) Die Neuerscheinung des Jahrbuchs Sucht 2013 hat die Problematik und weite Verbreitung unterschiedlichster Suchterkrankungen in Deutschland wieder drastisch ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Doch zeigt eine Umfrage bei den Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe, buss, eine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation vieler Einrichtungen, die Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker erbringen. Therapiezeiten werden immer mehr verkürzt, eine ausreichende Vorbereitung der Patientinnen und Patienten auf die anschließende Entwöhungstherapie ist kaum noch möglich, was zu vielen Nichtantritten oder vorzeitigen Abbrüchen führt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Suchttherapie werden immer stärker belastet durch die Absenkung der Gehaltsstrukturen. Um den Erhalt einer professionellen und wirkungsvollen Suchttherapie zu gewährleisten, sind alle Beteiligten aufgefordert, in einen konstruktiven Dialog über die Angemessenheit von Anforderungen und Vergütungen einzutreten. Um das zu realisieren ist die Politik gefragt: Ähnlich wie das bereits in der medizinischen Reha eingeführt wurde, sollte der Gesetzgeber Schiedsstellen für Vergütungsfragen ermöglichen, das heißt eine neutrale Stelle sollte sachlich und transparent für einen Interessensausgleich sorgen.
Bei einer Belegungsumfrage im Herbst 2012 gaben 62% der Mitgliedsbetriebe des buss rückblickend an, dass 2011 keine Kostendeckung erzielt werden konnte. Für 2012 erwarteten mehr als 60% der Einrichtungen einen negativen Jahresabschluss. Das sind alarmierende Zahlen, die sich nicht wirtschaftlich erklären lassen, denn Einrichtungen der Suchtrehabilitation haben kaum unternehmerischen Spielraum. Die Renten- und Krankenversicherungen geben hier fast alle strukturellen und personellen Rahmenbedingungen vor. In den vergangenen Jahren wurden die Anforderungen an die Leistungserbringer kontinuierlich erhöht, während die Vergütungsabwicklung kaum für den Inflationsausgleich reichte und schon gar nicht für die zusätzlich erforderlichen Investitionen. Um überleben zu können wird die Unterfinanzierung von den Einrichtungen anderweitig abgefedert, zum Beispiel durch Querfinanzierung durch Eigenmittel konfessionelle Träger setzen hier häufig Kirchensteuermittel ein. Auch der Bestandsverzehr bei Gebäuden und Infrastruktur wird gerne zum Ausgleich negativer Zahlen eingesetzt, das heißt, dass keine hinreichende Berücksichtigung von Abschreibungen und Rückstellungen in den Vergütungen stattfinden kann, was zu einem erheblichen Investitionsstau geführt hat. Gespart wird natürlich auch an den Mitarbeitern, eine Absenkung der Gehaltsstrukturen führt zu einem zunehmenden Problem bei der Mitarbeitergewinnung im Wettbewerb mit anderen Organisationen auf dem Arbeitsmarkt für Gesundheitsberufe. Ganz auf der Strecke bleiben in diesem System Einrichtungen kleiner Träger, die sich keine Querfinanzierung leisten können.
Zudem gelangen viele suchtkranke Menschen über Beratungsstellen in eine Weiterbehandlung in Psychiatrie oder Reha-Kliniken. Länder und Kommunen ziehen sich immer mehr aus ihrer Verantwortung für die Beratungsleistungen zurück, was dazu führt, dass viele Suchtkranke diese erste Hürde im Hilfssystem gar nicht mehr überwinden können und die überaus wichtige Weiterbehandlung nicht stattfindet.
Dialog als Lösungsansatz
Seit vielen Jahren wird von den Reha-Verbänden auf die prekäre finanzielle Situation hingewiesen, doch die Rentenversicherungen verweisen darauf, dass sie Marktpreise bezahlen und es kein Kostenerstattungsprinzip in der medizinischen Reha gibt. In nahezu allen anderen Leistungsbereichen des deutschen Gesundheits‐ und Sozialwesens existieren für die Regelung von streitigen Vergütungsfragen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern Schieds‐ oder Schlichtungs‐ oder Ombudsstellen. Falls keine Einigung zwischen den Vertragsparteien zustande kommt, soll hier eine neutrale Stelle sachlich und transparent einen Interessenausgleich schaffen. Diese Vorgehensweise hat sich vielfach bewährt und nicht zu einer Kostenexplosion in den entsprechenden Segmenten der Versorgungssysteme geführt, sondern zu mittel‐ und langfristig gesicherten und qualitativ hochwertigen Leistungserbringung. In der von der GKV (gesetzlichen Krankenversicherungen) finanzierten medizinischen Reha gibt es bereits solche Schiedsstellen, die mit großem Erfolg eingesetzt werden und die eine außerordentlich positive Bewegung in die seit Jahren festgefahrene Vergütungssituation bringen. Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt, um auch der anderen Hälfte der medizinischen Reha, der Suchtrehabilitation ein solch hilfreiches Instrument zu ermöglichen. Der entsprechende Gesetzesentwurf hängt aktuell am großen Gesetz zur Anhebung des Rentenbudgets, das mehrfach gescheitert ist. Doch eine erfolgreiche Rehabilitation eines Suchtkranken man denke nur an die große Zahl Alkoholanhängiger in unserer Gesellschaft verbessert nicht nur die Lebensqualität des Abhängigen sondern auch die Lebenssituation seines Umfeldes. Eine Studie der Prognos AG zeigt: Der volkswirtschaftliche Nutzen von medizinischer Reha liegt bei 1:5.
Es gibt so viele Argumente für eine bessere finanzielle Ausstattung suchttherapeutischer Einrichtungen jetzt ist die Politik am Zuge dafür die richtigen Ausgangsbedingungen zu schaffen.