Berlin | Heidelberg | Wiesbaden, 03. September 2013. Entgrenzung von Arbeitszeit und -raum sowie zunehmender Leistungsdruck sind mitverantwortlich für die steigende Zahl der psychischen Erkrankungen von Erwerbstätigen. "Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, dass Unternehmen sich aktiv des Themas annehmen und hierüber informieren, steigt", sagt Nicole Susann Roschker, Expertin für Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeit, im Interview mit Springer für Professionals. Allerdings belegt ihre gerade bei Springer Gabler erschienene Studie "Psychische Gesundheit als Tabuthema in der Arbeitswelt", dass die Qualität der externen Berichterstattung der DAX 30-Unternehmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung noch sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Roschkers Fazit: Es gibt noch erheblichen Nachholbedarf.
Die Ergebnisse dieser ersten systematischen Analyse zeigen eine große Bandbreite, so Roschker: "Vier Unternehmen äußern sich gar nicht öffentlich zum Thema Gesundheit ihrer Mitarbeiter, die übrigen 26 tun dies im Hinblick auf Umfang und Qualität der Informationen in sehr unterschiedlicher Weise." Bei einigen DAX 30-Unternehmen habe die Mitarbeitergesundheit mittlerweile eine so hohe Relevanz, dass sie Erwähnung in der Unternehmensstrategie, in übergeordneten Leitlinien sowie dem Konzern- und Risikobericht findet. Diese Firmen seien aber in der Minderheit. Die Mehrzahl berichte über einzelne verhaltensbezogene Programme und Maßnahmen wie Seminare zu Stressabbau, Burnout-Prävention oder Work-Life-Balance, deren freiwillige Wahrnehmung bei den Mitarbeitern selbst liegt. Über organisationale, verhältnisorientierte Maßnahmen seitens der Arbeitgeber informiere weniger als die Hälfte der Unternehmen. Hierzu gehörten Maßnahmen, die systematisch auf die Früherkennung, Prävention und den Umgang mit psychischen Erkrankungen abzielten - wie Schulungen von Führungskräften und Reintegrationsprogramme.
Das Thema wird laut Roschker insgesamt nicht totgeschwiegen, doch signalisierten Unternehmen, die ausschließlich über verhaltensbezogene Maßnahmen berichten, nach außen, dass sie die Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter bei diesen selbst sehen. "Ein umfassendes Verständnis von Gesundheit wird im Zusammenhang mit unternehmerischer Verantwortung noch viel zu selten artikuliert. Dass ein schonender Umgang mit Ressourcen nicht nur ökologische Aspekte beinhaltet, sondern auch die Verantwortung für das Wohlergehen und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit von Menschen, muss sich erst noch durchsetzen, nicht nur in der Berichterstattung", findet die Expertin. Denn nur Unternehmen mit gesunden Mitarbeitern seien langfristig profitabel und innnovationsfähig, da sie abhängig von der Leistungsfähigkeit und der Motivation ihrer Belegschaft sind. Darüber hinaus müsse das Thema im Rahmen der Bewertung von Unternehmen stärker berücksichtigt werden: "Die Berichterstattung von Firmen folgt bestimmten inhaltlichen und formalen Vorgaben, die durch gesetzliche Vorschriften und Standards vorgeschrieben sind. Ziel ist es, die Unternehmen miteinander vergleichbar zu machen, um sie zu bewerten. Sofern also Mitarbeitergesundheit explizit als relevanter Faktor im Rahmen von Reporting-Vorgaben artikuliert wird und Informationen hierzu eingefordert werden, sollten Unternehmen diese bereitstellen."
Derzeit basiere die betriebliche Berichterstattung zu sozialen und ökologischen Belangen in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern noch auf freiwilliger Basis. Die CSR-Strategie der EU sehe jedoch zukünftig eine verpflichtende Berichterstattung für Unternehmen vor. Zudem habe der Bundestag Ende Juni 2013 die Bedeutung des Themas psychische Gesundheit durch die Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes verstärkt. Dies stelle einen wesentlichen Treiber für einen umfassenderen Schutz der Gesundheit von Mitarbeitern dar.
Nicole Susann Roschker ist Expertin für Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeit. Ihre Studie ist die Abschlussarbeit ihres Studiums zum Executive MBA Sustainability Management an der Professional School der Leuphana Universität Lüneburg.
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