Die Vor-Ort-Prüfungen aller 24
Lebertransplantationsprogramme in Deutschland durch die
Prüfungskommission und die Überwachungskommission von
Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und
GKV-Spitzenverband sind abgeschlossen. In vier
Transplantationszentren wurden schwerwiegende Richtlinienverstöße
unterschiedlicher Ausprägung festgestellt. In zwanzig
Transplantationszentren wurden keine Richtlinienverstöße,
beziehungsweise nur solche Richtlinienverstöße festgestellt, bei
denen sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls oder der geringen
Anzahl kein Verdacht auf systematische oder bewusste Falschangaben
zur Bevorzugung bestimmter Patienten ergab. Darauf verwiesen die
Kommissionsvorsitzenden, Anne-Gret Rinder, Vorsitzende Richterin am
Kammergericht i. R., und Prof. Dr. Dr. Hans Lippert, heute in Berlin.
Die Ergebnisse wurden zusammen mit dem Kommissionsbericht 2012/2013
der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Prüfungen sind Teil des nach dem Transplantationsskandal im
Sommer 2012 auf neuer gesetzlicher Grundlage ausgeweiteten
Kontrollsystems im Transplantationswesen. "Durch die neu geschaffenen
Kontrollmöglichkeiten konnten wir schnell und angemessen auf die
bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der
Manipulation von Patientendaten reagieren", sagte Rinder. "Positiver
Effekt der Vor-Ort-Prüfungen ist im Zusammenhang mit der Einführung
der interdisziplinären Transplantationskonferenzen bereits jetzt eine
Verbesserung der formalen Abläufe sowie der Dokumentationen",
ergänzte Lippert. Nach Einschätzung der Kommissionsvorsitzenden ist
für die Jahre 2012 und 2013 mit einer deutlich geringeren Anzahl von
Richtlinienverstößen zu rechnen.
Die Kommissionsvorsitzenden erläuterten: Nach einer
Vor-Ort-Prüfung werde ein Bericht erstellt, der die Feststellungen
und Wertungen der Kommissionen enthält. Dieser Bericht werde zur
Gewährung rechtlichen Gehörs unter Fristsetzung an die für das
Lebertransplantationsprogramm eines Zentrums verantwortlichen Ärzte
übersandt. Die Kliniken hätten Gelegenheit, zu wesentliche
Kritikpunkten Stellung zu beziehen. Der abschließende
Kommissionsbericht werde anschließend jeweils dem Ärztlichen Direktor
des Universitätsklinikums, den zuständigen Landesbehörden sowie der
Landesärztekammer und gegebenenfalls der zuständigen
Staatsanwaltschaft zugeleitet.
Schwerwiegende Richtlinienverstöße stellten die Prüfer in der
Universitätsklinik Göttingen und Leipzig sowie in zahlenmäßig
geringerem Ausmaß in München rechts der Isar und Münster fest. Diese
Verstöße hatten zur Folge, dass für bestimmte Patienten die
Dringlichkeit zur Lebertransplantation erhöht wurde und sie damit auf
der Warteliste weiter nach vorne rückten.
"Allerdings ist es in einigen Zentren auch um grenzwertige oder
nicht mehr richt-linienkonforme Indikationen gegangen", erläuterte
Prof. Dr. Hans Lilie, Vorsitzen-der der Ständigen Kommission
Organtransplantation der Bundesärztekammer und Mitglied des
Prüfteams. "Einschlägig waren Angaben zu möglichen Einschränkungen
der Aufnahme in die Warteliste, Angaben von Laborwerten zur
Berechnung des MELD-Scores, Angaben im Zusammenhang mit der
Beantragung einer sogenannten Standard Exception oder des
beschleunigten Vermittlungsverfahrens sowie Angaben zu
Dialysepatienten." Lilie kündigte an, dass die Ergebnisse der
Prüfungen in der Ständigen Kommission Organtransplantation
schnellstmöglich ausgewertet werden.
"Die MELD-basierte Leberallokation ist komplex und bedarf deshalb
einer ent-sprechenden Expertise, um den individuellen und aktuellen
Gesundheitszustand der Patienten bezüglich des MELD-Scores
abzubilden. Entsprechend muss auch das Allokationssystem als
dynamisches beziehungsweise lernendes System verstanden werden", so
Lilie. Deshalb sei die Ständige Kommission Organtransplantation mit
der Weiterentwicklung des MELD-basierten Leberallokationssystems,
nicht aber mit der Erarbeitung eines alternativen Modells befasst.
Auch in den USA werde entsprechend verfahren. National wie
international werde beispielsweise die Einbeziehung weiterer
Parametern und MELD-Änderungen, die Revision der Ausnahmeregelungen
sowie die Entwicklung von zusätzlichen Scores zur Einschätzung der
Erfolgsaussicht nach Lebertransplantation erörtert.
Rinder, Lippert und Lilie betonten die gesetzliche Legitimation
und den gesetzlichen Auftrag der Prüfungskommission und der
Überwachungskommission sowie der Ständigen Kommission
Organtransplantation der Bundesärztekammer. Sie sehen eine
wesentliche Aufgabe darin, mit den Kontrollen Chancengleichheit und
Gerechtigkeit im Transplantationswesen zu gewährleisten. In diesem
Zusammenhang erläuterte Rinder, dass sich insgesamt keine
Anhaltspunkte dafür er-geben haben, dass privatversicherte Patienten
oder sogenannte Non-Residents bevorzugt behandelt und transplantiert
worden wären. Auch haben sich keine Bedenken gegen das beschleunigte
Vermittlungsverfahren als Verfahrensart ergeben.
Als wenig hilfreich wertete Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan,
Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin und
Sonderprüferin der Prüfungs- und der Überwachungskommission,
unsachliche Einlassungen zur Legitimation und zum Verfahren der
Kommissionen. "Wer die Aufarbeitung des Transplantationsskandals
ständig versucht zu skandalisieren, kann oder will nicht verstehen,
welch sensibler Bereich die Transplantationsmedizin ist und dass es
rechtsstaatliche Grundsätze sind, die unser Vorgehen leiten", so die
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof i.R.. Dieses Vorgehen
stoße auch bei Selbsthilfegruppen der Organtransplantierten oder bei
Angehörigenverbänden auf absolutes Unverständnis.
Um dem Auftrag des Gesetzgebers und dem besonderen
Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu entsprechen,
veröffentlichen die Prüfungskommission und die Überwachungskommission
in ihrem Jahresbericht auch sämtliche Stellungnahmen zu bisherigen
Prüfungen in anonymisierter Form. Vorgesehen ist, dass alle 46
Zentren mit ihren gut 140 Transplantationsprogrammen mindestens
einmal in einem Zeitraum von 36 Monaten vor Ort geprüft werden.
Der Prüfbericht 2012/2013 sowie weitere Unterlagen zur
Pressekonferenz der Prüfungskommission und Überwachungskommission
sind im Internet unter www.baek.de abrufbar.
Pressekontakt:
DKG: Moritz Quiske, Tel.: 030 - 3 98 01 1021
GKV-Spitzenverband: Florian Lanz, Tel.: 030 - 2062884200
BÄK: Alexander Dückers, 030 - 4004 56 700