Moersdorf Consulting, Bonner Unternehmensberatung für Kliniken und Praxen spricht mit Wolfgang Seuser, Inhaber der Zahnarztpraxis Seuser in Bonn über die Folgen von Stresserkrankungen in der zahnärztlichen Funktionstherapie.
Moersdorf Consulting: Stress ist eine Erscheinung unserer schnelllebigen Zeit und entsteht häufig bei Menschen, die unter Druck und Belastung leiden. Was hat dies mit moderner Zahnmedizin zu tun?
Wolfgang Seuser:
Laut WHO gilt Stress als eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Demnach sind 80 % aller Erkrankungen stressbedingt.
Redensarten wie „sich durchbeißen“ oder „etwas zähneknirschend hinnehmen“ zeigen den engen Zusammenhang von Stress und Kausystem auf. Die anatomischen Strukturen wie Muskulatur, Kiefergelenke und die Zähne können bei hoher Stressbelastung in starkem Maße involviert sein.
Moersdorf Consulting: Welche Folgen kann es denn haben, wenn jemand unter chronischer Belastung mit den Zähnen knirscht oder anders macht Zähneknirschen krank?
Wolfgang Seuser:
Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist das nicht mehr haltbar. Knirschen und Pressen – also die verstärkte Aktivität unserer Kaumuskulatur in der Nacht wirkt sich direkt auf Stresszentren im Gehirn aus und reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen. Damit ist die Aktivität der Kaumuskulatur förderlich für den aktiven Abbau von Stress.
Wenn aber z.B. ein falscher Biss zu Funktionsstörungen im Kausystem geführt hat, kann dies seinerseits massive Krankheitsbilder erzeugen die wir unter dem Fachbegriff CMD ( Craniomandibuläre Dysfunktion) zusammenfassen.
Moersdorf Consulting: Welche Auswirkung kann diese Dysfunktion, also CMD haben?
Wolfgang Seuser:
CMD Beschwerden können sind als Knacken und Reiben der Kiefergelenke, Verspannungen und Schmerzen der Kaumuskulatur, Gelenke und Zähne manifestieren. Es können Ohrgeräusche und Schwindelgefühle entstehen.
Da Kopf-, Hals– und Kaumuskulatur mit der Wirbelsäule verbunden sind, wirken sich die Folgen auf den ganzen Körper aus. Bei chronischen und migräneartigen Kopfschmerzen ist oft eine Fehlfunktion der Kiefer mit beteiligt.
Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Zahn –, Mund und Kieferheilkunde (DGZMK) zeigen 70 % der Bevölkerung Symptome einer CMD.
Moersdorf Consulting: Welche Möglichkeiten oder Therapien stehen in solchen Fällen den Patienten zur Verfügung – konkret: Was macht der spezialisierte Zahnarzt?
Wolfgang Seuser:
Ein komplexes Krankheitsbild wie das der CMD verlangt eine intensive Diagnostik. Dazu gehört u. a. auch ein Fragebogen, der die Stressbelastung des Patienten einschätzen lässt.
Neben manuellen und klinischen Untersuchungen kommen in unserer Praxis auch computergestützte Bewegungsanalysen der Kiefergelenke, sowie Vermessungen von speziellen Röntgenbildern (Fernröntgenanalyse) zum Einsatz. Dies ermöglicht einen externen Bewegungssimulator auf die individuellen Werte des Patienten zu programmieren.
Als erster Schritt in der Therapie kann z. B. ein funktionstherapeutisches Gerät in Form einer Schiene angefertigt werden, mit der die korrigierte Bisssituation simuliert wird.
Dabei ist es enorm wichtig die primären Ursachen der Schmerzen zu ermitteln. Dazu stehen wir in engem Dialog mit Spezialisten anderer medizinischer Disziplinen.
Moersdorf Consulting: Warum ist eine fachübergreifende und interdisziplinäre Arbeit hier wichtig?
Wolfgang Seuser:
Lassen Sie mich zum Ausgangspunkt unseres Gespräches zurückkommen: Wenn 80 % der Erkrankungen stressbedingt sind, zeigt dies, dass eine Ursache sehr unterschiedliche Auswirkungen im menschlichen Körper hervorrufen kann. Nicht selten sind mehrere Systeme des Körpers betroffen. Schmerzgeschehen und Ursachenketten halten sich nicht an die Grenzen der medizinischen Fachbereiche. Andere Disziplinen wie Schmerztherapie, Allgemein und Innere Medizin, HNO, Orthopädie, Neurologie, Psychologie, Physiotherapie und Osteopathie sind in der Diagnose und Therapie der CMD unerlässlich. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessert die Effektivität der Behandlung.
Es ist sicher auch stressmindernd, wenn wir unseren Patienten eine koordinierte Abstimmung der Maßnahmen anbieten können.
Moersdorf Consulting: Wie kann man eine solche koordinierte Zusammenarbeit optimieren?
Wolfgang Seuser:
Es ist wichtig, dass ein Forum für einen interdisziplinären Ansatz geschaffen wird. Wir haben deshalb schon vor einigen Jahren das Netzwerk Kiefergelenk mit dem Focus CMD installiert.
Die Gründung des Qualitätszirkel Neuro-, Stress- & Gesundheitsmanagement in Bonn ist für einen interdisziplinären Ansatz sicher richtungweisend.