Unfälle beim Rechtsabbiegen von Lkw standen im
Mittelpunkt eines Symposiums, zu dem die BG Verkehr Vertreter aus
Verbänden, der Hersteller und der Zuliefererindustrie sowie der
Forschung am gestrigen Donnerstag nach Hamburg eingeladen hatte. Ziel
war es, den Stand der Entwicklung gemeinsam zu definieren, künftige
Maßnahmen gegen Abbiegeunfälle voranzubringen sowie die Beteiligten
zu vernetzen.
Immer wieder ereignen sich schwere Unfälle beim Rechtsabbiegen von
Lkw, Abfallsammelfahrzeugen, Omnibussen oder Transportern, bei denen
Fußgänger oder Radfahrer, oft Kinder, getötet oder schwer verletzt
werden. Diese Unfälle sind dadurch charakterisiert, dass der
Lkw-Fahrer in der Regel selbst körperlich nicht verletzt wird, er
aber mit den vielfältigen Folgen dieses traumatisierenden Ereignisses
fertig werden muss. Zwar befassen sich engagierte Arbeitsgruppen bei
Herstellern und Verbänden, wissenschaftlichen Instituten und Behörden
bereits mit diesem Problem, vollends befriedigend gelöst ist es
jedoch bislang noch nicht. "Aus diesem Grund war und ist es uns ein
wichtiges Anliegen, gemeinsam mögliche Lösungswege zu suchen.", so
Dr. Jörg Hedtmann, Präventionsleiter der BG Verkehr bei der Eröffnung
des Symposiums. Klaus Peter Röskes, alternierender Vorsitzender des
Vorstandes der BG Verkehr, ergänzte in seinem Grußwort, worauf es
dabei ankommt: "Uns liegen die Fahrer, aber auch alle anderen
Verkehrsteilnehmer am Herzen. Jeder verhinderte Unfall bedeutet
weniger menschliches Leid für die Betroffenen. Daran hat sowohl das
Gewerbe als auch die BG ein Interesse."
Im Mittelpunkt des Vormittags stand das von der BG Verkehr in
Auftrag gegebene Gutachten "Abbiegeunfälle" des Instituts für
Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die
Ergebnisse der Forschung machen deutlich, dass Fahrradfahrer und
Fußgänger besonders gefährdet sind. Auffällig ist auch die hohe
Anzahl der Getöteten bei den über 65-jährigen. Fehleinschätzung des
toten Winkels machten 14 % der tödlichen Unfälle aus.
Im Bereich der Fahrzeugfront finden mit Abstand die häufigsten
Kontakte mit Unfallgegnern statt. Typischerweise trifft
beispielsweise der Fahrradfahrer die vordere rechte Ecke im Bereich
des Fahrerhauses. Häufig lag die Kollisionsgeschwindigkeit im
niedrigen Bereich unter 20 km/h.
Eine ergänzende Auswertung der BG Verkehr zeigte, dass nicht nur
die vermeintlich schwächeren Verkehrsteilnehmer betroffen sind,
sondern auch die Lkw-Fahrer selbst. Abbiegeunfälle haben auch
deutlich negative Auswirkungen auf den psychischen Gesundheitszustand
der Unfallfahrer. Sie haben nicht nur mit Selbstvorwürfen zu kämpfen,
beispielsweise weshalb sie den Unfall nicht verhindern konnten,
sondern werden darüber hinaus auch noch häufig von der
Staatsanwaltschaft zur Verantwortung gezogen. Dies wirkt sich negativ
auf die weitere Ausübung des Berufes aus. "Hier wollen wir
ansetzen.", betonte Dr. Jörg Hedtmann. "Für uns ist der Fahrer -
unabhängig von seiner juristischen Schuld - bei einem Abbiegeunfall
immer auch Opfer. Ihn wollen wir deshalb durch geeignete Maßnahmen
entlasten."
Der zweite Teil des Symposiums widmete sich der Suche nach
Lösungen. Dabei kamen die Vertreter ganz unterschiedlicher Verbände
und Institutionen zu Wort und stellten ihre Positionen zum Thema
Abbiegeunfälle dar. Die Riege der Diskutanten reichte vom Deutschen
Verkehrssicherheitsrat, über die Kinder-Unfallhilfe bis hin zum
Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club. So konnten neben einer
wissenschaftlichen Betrachtung der Unfälle auch die Perspektive der
Unfallbeteiligten, der Verbände sowie der Hersteller diskutiert
werden.
Ein gelungener Informationsaustausch, der deutlich machte, dass es
den Königsweg für eine Lösung zwar (noch) nicht gibt, aber bereits
heute erfolgversprechende Maßnahmen denkbar und verfügbar sind. Die
vorgestellten Maßnahmen zur Prävention setzen sowohl an der Technik
des Fahrzeugs als auch an der Infrastruktur und den
Verkehrseilnehmern selbst an, d.h. bei den Fahrern, den Fußgängern
und den Fahrradfahrern. Vorgestellt wurden unterschiedliche Spiegel-
und Kamera-Monitorsysteme, die Gestaltung von Fahrradwegen und
Ampellösungen sowie Seitenmarkierungsleuchten und Aufkleber für die
Fahrzeuge, die die restlichen Verkehrsteilnehmer vor dem Toten Winkel
warnen.
Bei den Symposiumsteilnehmern bestand Einigkeit darüber, dass die
gesamte Verantwortung nicht nur auf den Fahrer gelenkt werden kann,
denn der Tote Winkel kann zwar minimiert, jedoch nicht ganz beseitigt
werden. Trotz unterschiedlicher technischer Systeme und bestehender
Lösungen gibt es weiterhin Situationen, in denen ein Fahrer den
Fahrradfahrer neben sich nicht sehen kann. Das müssen auch die
Fahrradfahrer wissen und sich darauf einstellen. Damit dieser
Perspektivenwechsel gelingt, wurde eine Verstärkung der
Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmer
gefordert, um so den partnerschaftlichen Umgang miteinander zu
fördern. Dies würde auch den Alltag der Fahrer erleichtern, denn die
Fülle an Informationen und die Komplexität der Situation beim
Abbiegevorgang beanspruchen den Fahrer bereits ohne Zwischenfall.
Hier möchte die BG ansetzen und die Belastung verringern.
Und letztlich sind die Hersteller und Zulieferer gefordert, die
Entwicklung eines Abbiegeassistenten nicht aus den Augen zu
verlieren. Hier wurde eine Perspektive von fünf bis zehn Jahren
genannt, bis die Systeme sicher einsetzbar sind. Deshalb sind die
bisher verfügbaren Maßnahmen unerlässlich und müssen in der
Zwischenzeit genutzt werden. "Technische Systeme haben aus unserer
Sicht immer den Vorrang vor organisatorischen oder personenbezogenen
Schutzmaßnahmen", betonte Dr. Jörg Hedtmann zum Abschluss, "aber im
Mittelpunkt steht der Mensch." Die BG Verkehr ist gerne bereit, die
Beteiligten bei der Umsetzung zu vernetzten und koordinierend aktiv
zu werden.
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