(umg) Ohne Folate (Vitamin B9) läuft bei der Entwicklung des Gehirns von Kindern eini-ges schief. Eine mangelhafte Versorgung mit dem lebenswichtigen Nahrungsbestandteil in den frühen Jahren der Kindesentwicklung hat Folgen: Betroffene Kinder sind oft bereits im dritten Lebensjahr deutlich in ihrer Entwicklung zurück. Sie haben schwerwiegende Bewegungsstörungen und häufig epileptische Krampfanfälle. Eine mögliche Diagnose lautet "cerebrale Folattransportdefizienz". Seit kurzem erst lässt sich diese seltene Erbkrankheit erkennen, die durch Mutationen im FOLR1-Gen verursacht wird und zu einer Störung des Folattransports über die Blut-Liquor-Schranke führt. Daraus ergibt sich ein Folatmangel im Gehirn und es kommt zu einer Hirnschrumpfung und zu einer Störung der weißen Hirnsubstanz. Unbehandelt führt die Erkrankung zu einem fortschreitenden Verlust von geistigen und motorischen Fähigkeiten. Ein interdisziplinäres Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Robert Steinfeld, Abteilung Neuropädiatrie in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), hat jetzt einen Ansatz für eine künftige Behandlung gefunden. Erstmals konnten die Forscher klären, über welchen Mechanismus die lebenswichtigen Folate bei gesunden Menschen ins Gehirn transportiert werden. Beteiligt waren Wissenschaftler der Göttinger Max-Planck-Institute für Experimentelle Medizin und Biophysikalische Chemie, des Zentrums für Molekulare Neurobiologie Hamburg, des Insti-tuts für Biochemie der Universität Münster sowie des Instituts für Chemie der Purdue University in den USA. Die Ergebnisse der Forschungen sind veröffentlicht in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift "NATURE COMMUNICATIONS".
Originalpublikation: Choroid plexus transcytosis and exosome shuttling deliver folate into brain parenchyma. In: Nature Communincations 2013 Jul 5;4:2123. doi: 10.1038/ncomms3123.
Autoren: Marcel Grapp*, Arne Wrede, Michaela Schweizer, Sabine Hüwel, Hans-Joachim Galla, Nicolas Snaidero, Mikael Simons, Johanna Bückers, Philip S. Low, Henning Urlaub, Jutta Gärtner*, Robert Steinfeld*
(*Mitarbeiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin Göttingen)
"Als wir mit dem Projekt begonnen haben, war die gängige Vorstellung vom Folattransport ins Gehirn eine völlig andere. Aber unsere experimentellen Daten passten einfach nicht zu diesem Modell. Nur durch aufwendige mikroskopische Techniken und durch Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern konnten wir das Problem lösen", sagt Prof. Steinfeld, Senior-Autor der Publikation aus der Abteilung Neuropädiatrie in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der UMG. Die Ergebnisse der Forschungen: Folate werden mittels des Folatrezeptors alpha vom Blut durch die Plexus choroideus-Zellen in den Liquor transportiert. Folatrezeptor alpha wird dabei gebunden an kleine Vesikel in den Liquor (Nervenwasser) abgegeben. Diese Vesikel (Exosomen) dienen als Transportvehikel für Folate in das Gehirngewebe.
"Die Entschlüsselung dieses ungewöhnlichen Transportwegs hat Konsequenzen für die Behandlung aller Erkrankungen, die mit einem Mangel an Folaten im Gehirn einhergehen", sagt Prof. Steinfeld. Die Erkenntnisse bieten die Grundlage für die Entwicklung geeigneter Behandlungsformen für alle Erkrankungen, die mit einem Folatmangel im Gehirn einhergehen. Die Forscher vermuten, dass auch andere lebenswichtige Nährstoffe und biologische Substanzen auf diese Art ins Gehirn transportiert werden. Der Transportweg könnte ein grundlegender Mechanismus für den zellulären Austausch von biologischen Substanzen sein.
Hintergrund: Die cerebrale Folattransportdefizienz ist erst seit 2009 bekannt. Entdeckt hat sie Prof. Dr. Dr. Robert Steinfeld. Er und ein Forscherteam der Abteilung Neuropä-diatrie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der UMG konnten damals erstmals einen Gendefekt als Ursache festmachen. Durch Mutationen ist das FOLR1-Gen defekt. Durch diesen Defekt wird der Folattransport über die Blut-Liquor-Schranke blockiert und es kommt zu einem Folatmangel im Gehirn. Um die Behandlungsmöglichkeiten dieser frühkindlichen neurogenerativen Erkrankung zu verbessern, untersuchte Prof. Steinfeld den genauen Mechanismus des Folattransports ins Gehirn.
Folate, von Folsäure abgeleitete natürliche Verbindungen, sind lebensnotwendige Nahrungsbestandteile und werden auch als Vitamin B9 bezeichnet. Folsäure-Verbindungen sorgen vor allem für eine gesunde Entwicklung des Nervensystems. Menschen müssen täglich ungefähr 0,5 Milligramm Folate aufnehmen. Die stecken in Salaten und grünem Blattgemüse. Besonders während der Schwangerschaft sowie im Säuglings- und Kleinkindesalter ist es wichtig, für eine ausreichende Versorgung mit Folaten zu sorgen.
WEITERE INFORMATIONEN:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Abteilung Neuropädiatrie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Prof. Dr. Dr. Robert Steinfeld
Telefon 0551 / 39-22570
rsteinfeld@med.uni-goettingen.de
ins Gehirn? Transport entschlüsselt.
(umg) Ohne Folate (Vitamin B9) läuft bei der Entwicklung des Gehirns von Kindern eini-ges schief. Eine mangelhafte Versorgung mit dem lebenswichtigen Nahrungsbestandteil in den frühen Jahren der Kindesentwicklung hat Folgen: Betroffene Kinder sind oft bereits im dritten Lebensjahr deutlich in ihrer Entwicklung zurück. Sie haben schwerwiegende Bewegungsstörungen und häufig epileptische Krampfanfälle. Eine mögliche Diagnose lautet "cerebrale Folattransportdefizienz". Seit kurzem erst lässt sich diese seltene Erbkrankheit erkennen, die durch Mutationen im FOLR1-Gen verursacht wird und zu einer Störung des Folattransports über die Blut-Liquor-Schranke führt. Daraus ergibt sich ein Folatmangel im Gehirn und es kommt zu einer Hirnschrumpfung und zu einer Störung der weißen Hirnsubstanz. Unbehandelt führt die Erkrankung zu einem fortschreitenden Verlust von geistigen und motorischen Fähigkeiten. Ein interdisziplinäres Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Robert Steinfeld, Abteilung Neuropädiatrie in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), hat jetzt einen Ansatz für eine künftige Behandlung gefunden. Erstmals konnten die Forscher klären, über welchen Mechanismus die lebenswichtigen Folate bei gesunden Menschen ins Gehirn transportiert werden. Beteiligt waren Wissenschaftler der Göttinger Max-Planck-Institute für Experimentelle Medizin und Biophysikalische Chemie, des Zentrums für Molekulare Neurobiologie Hamburg, des Insti-tuts für Biochemie der Universität Münster sowie des Instituts für Chemie der Purdue University in den USA. Die Ergebnisse der Forschungen sind veröffentlicht in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift "NATURE COMMUNICATIONS".
Originalpublikation: Choroid plexus transcytosis and exosome shuttling deliver folate into brain parenchyma. In: Nature Communincations 2013 Jul 5;4:2123. doi: 10.1038/ncomms3123.
Autoren: Marcel Grapp*, Arne Wrede, Michaela Schweizer, Sabine Hüwel, Hans-Joachim Galla, Nicolas Snaidero, Mikael Simons, Johanna Bückers, Philip S. Low, Henning Urlaub, Jutta Gärtner*, Robert Steinfeld*
(*Mitarbeiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin Göttingen)
"Als wir mit dem Projekt begonnen haben, war die gängige Vorstellung vom Folattransport ins Gehirn eine völlig andere. Aber unsere experimentellen Daten passten einfach nicht zu diesem Modell. Nur durch aufwendige mikroskopische Techniken und durch Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern konnten wir das Problem lösen", sagt Prof. Steinfeld, Senior-Autor der Publikation aus der Abteilung Neuropädiatrie in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der UMG. Die Ergebnisse der Forschungen: Folate werden mittels des Folatrezeptors alpha vom Blut durch die Plexus choroideus-Zellen in den Liquor transportiert. Folatrezeptor alpha wird dabei gebunden an kleine Vesikel in den Liquor (Nervenwasser) abgegeben. Diese Vesikel (Exosomen) dienen als Transportvehikel für Folate in das Gehirngewebe.
"Die Entschlüsselung dieses ungewöhnlichen Transportwegs hat Konsequenzen für die Behandlung aller Erkrankungen, die mit einem Mangel an Folaten im Gehirn einhergehen", sagt Prof. Steinfeld. Die Erkenntnisse bieten die Grundlage für die Entwicklung geeigneter Behandlungsformen für alle Erkrankungen, die mit einem Folatmangel im Gehirn einhergehen. Die Forscher vermuten, dass auch andere lebenswichtige Nährstoffe und biologische Substanzen auf diese Art ins Gehirn transportiert werden. Der Transportweg könnte ein grundlegender Mechanismus für den zellulären Austausch von biologischen Substanzen sein.
Hintergrund: Die cerebrale Folattransportdefizienz ist erst seit 2009 bekannt. Entdeckt hat sie Prof. Dr. Dr. Robert Steinfeld. Er und ein Forscherteam der Abteilung Neuropä-diatrie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der UMG konnten damals erstmals einen Gendefekt als Ursache festmachen. Durch Mutationen ist das FOLR1-Gen defekt. Durch diesen Defekt wird der Folattransport über die Blut-Liquor-Schranke blockiert und es kommt zu einem Folatmangel im Gehirn. Um die Behandlungsmöglichkeiten dieser frühkindlichen neurogenerativen Erkrankung zu verbessern, untersuchte Prof. Steinfeld den genauen Mechanismus des Folattransports ins Gehirn.
Folate, von Folsäure abgeleitete natürliche Verbindungen, sind lebensnotwendige Nahrungsbestandteile und werden auch als Vitamin B9 bezeichnet. Folsäure-Verbindungen sorgen vor allem für eine gesunde Entwicklung des Nervensystems. Menschen müssen täglich ungefähr 0,5 Milligramm Folate aufnehmen. Die stecken in Salaten und grünem Blattgemüse. Besonders während der Schwangerschaft sowie im Säuglings- und Kleinkindesalter ist es wichtig, für eine ausreichende Versorgung mit Folaten zu sorgen.
WEITERE INFORMATIONEN:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Abteilung Neuropädiatrie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Prof. Dr. Dr. Robert Steinfeld
Telefon 0551 / 39-22570
rsteinfeld@med.uni-goettingen.de