TUD präsentiert Ergebnisse der "Dunkelzifferstudie 2013"
Unter dem Titel "Prävalenz, Inzidenz und Determinanten von traumatischen Ereignissen, Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und anderen psychischen Störungen bei Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz" hat ein Psychologenteam der TUD bereits im Jahr 2011 eine Querschnittstudie mit Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren, abgeschlossen. Nun liegen auch die Ergebnisse einer Längsschnittstudie vor, die Soldaten unmittelbar vor und durchschnittlich 12 Monate nach Einsatzrückkehr in ähnlicher Weise wie bei der Querschnittstudie untersucht hat. Die Ergebnisse der Studie präsentierte der Leiter der Studie Prof. Hans-Ulrich Wittchen vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden heute (26. November 2013) auf einer Pressekonferenz in Berlin. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Das Problem der einsatzbezogenen PTBS - mit einer Inzidenz von etwa 1 Prozent und einer 12-Monatsprävalenz von 2 bis 3 Prozent - erreicht bei Weitem nicht das Ausmaß, wie es aufgrund früherer Befürchtungen erwartet wurde. Bei Anlegen gleicher methodischer Standards sind die PTBS-Raten der deutschen Soldaten etwas, aber nicht bedeutsam niedriger als bei britischen, jedoch gravierend niedriger als bei amerikanischen Soldaten, die im Irak oder in Afghanistan im Einsatz waren.
2. Wesentlich unterschätzt hingegen wurde bislang das Risiko anderer einsatzbezogener psychischer Störungen. Auslandseinsätze der Bundeswehr gehen mit einem hohen Belastungsausmaß - einschließlich traumatischer Ereignisse - einher, die offensichtlich massiv das Ersterkrankungsrisiko für Angststörungen sowie den Beginn einer Alkoholabhängigkeit erhöhen. Zudem haben Soldaten mit einer Vorgeschichte an affektiven Störungen ein erhöhtes Risiko, wiederum eine depressive Episode zu erleiden. Es finden sich ferner Hinweise darauf, dass nach dem Einsatz vorbelastete Soldaten häufiger multimorbid erkranken.
3. Einsatzbezogene psychische Störungen werden nicht hinreichend frühzeitig erkannt, selten diagnostiziert und noch seltener behandelt. Dies gilt sowohl für die Inanspruchnahme bundeswehrinterner wie auch außerhalb der Bundeswehrstrukturen aufgesuchter Dienste.
4. Unter Anlegen äußerst liberaler Kriterien für "Behandlung" (zumindest einmaliger Kontakt zum professionellen System) kann die Dunkelziffer für PTBS und andere psychische Erkrankungen auf etwa 50 Prozent geschätzt werden.
5. Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist der herausragende Stellenwert psychischer Vorerkrankungen. Diese erweisen sich als machtvoller und stärkster Prädiktor für einsatzbedingte Folgeerkrankungen. Für die Bundeswehr ergibt sich daraus die Herausforderung eines verbesserten klinisch-diagnostischen Screenings vor Einsätzen, um bereits vor dem Einsatz bestehende psychische Störungen zu erkennen.
6. Ziel eines solchen Screenings sollte primär sein, den Betroffenen das Vorliegen einer psychischen Störung ebenso wie das sich daraus ergebene erhöhte einsatzbezogene gesundheitliche Risikopotential bewusst zu machen. Daran anschließend sollte eine vertrauliche Beratung evtl. angezeigter präventiver oder therapeutischer Schritte erfolgen. Keinesfalls ist es Ziel führend, so ermittelte unerkannte psychische Störungen aktenkundig zu machen, da dies die Gefahr der Stigmatisierung oder potentieller Laufbahnnachteile in sich birgt. Es sind also einerseits geeignete, z.B. aus der Studie selbst abgeleitete gezielte diagnostische Verfahren zu erproben sowie andererseits angemessene Handlungskonsequenzen aus derartigen Befunden zu entwickeln.
7. Ebenso zentral ist der Befund der Studie, dass betroffene Soldaten offensichtlich massive Barrieren wahrnehmen, die sie davon abhalten, sich gegenüber den zuständigen Diensten mit ihrem Leiden zu offenbaren.
8. Positiv ist hervorzuheben, dass die dem Einsatz vorausgehenden vorbereitenden und dem Einsatz folgenden nachbereitenden Maßnahmen von den Soldaten überwiegend als positiv, angemessen und Ziel führend beurteilt werden. Lediglich bei den psychisch vorbelasteten Soldaten ergab sich diesbezüglich ein geringfügig abweichendes, weniger positives Bewertungsbild.
Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse ist nachzulesen unter: http://tu-dresden.de/aktuelles/news/Downloads/ptbs_lang
Informationen für Journalisten:
Professor Dr. Hans-Ulrich Wittchen (Studienleiter)
Sebastian Trautmann (Projektleitung)
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
01187 Dresden, Chemnitzer Str. 46
wittchen@psychologie.tu-dresden.de
Tel. 0351 463-42464
Fax 0351 463-36984
psychische Störungen bei Soldaten nach Auslandseinsätzen liegt bei fast 50 Prozent
TUD präsentiert Ergebnisse der "Dunkelzifferstudie 2013"
Unter dem Titel "Prävalenz, Inzidenz und Determinanten von traumatischen Ereignissen, Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und anderen psychischen Störungen bei Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz" hat ein Psychologenteam der TUD bereits im Jahr 2011 eine Querschnittstudie mit Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren, abgeschlossen. Nun liegen auch die Ergebnisse einer Längsschnittstudie vor, die Soldaten unmittelbar vor und durchschnittlich 12 Monate nach Einsatzrückkehr in ähnlicher Weise wie bei der Querschnittstudie untersucht hat. Die Ergebnisse der Studie präsentierte der Leiter der Studie Prof. Hans-Ulrich Wittchen vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden heute (26. November 2013) auf einer Pressekonferenz in Berlin. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Das Problem der einsatzbezogenen PTBS - mit einer Inzidenz von etwa 1 Prozent und einer 12-Monatsprävalenz von 2 bis 3 Prozent - erreicht bei Weitem nicht das Ausmaß, wie es aufgrund früherer Befürchtungen erwartet wurde. Bei Anlegen gleicher methodischer Standards sind die PTBS-Raten der deutschen Soldaten etwas, aber nicht bedeutsam niedriger als bei britischen, jedoch gravierend niedriger als bei amerikanischen Soldaten, die im Irak oder in Afghanistan im Einsatz waren.
2. Wesentlich unterschätzt hingegen wurde bislang das Risiko anderer einsatzbezogener psychischer Störungen. Auslandseinsätze der Bundeswehr gehen mit einem hohen Belastungsausmaß - einschließlich traumatischer Ereignisse - einher, die offensichtlich massiv das Ersterkrankungsrisiko für Angststörungen sowie den Beginn einer Alkoholabhängigkeit erhöhen. Zudem haben Soldaten mit einer Vorgeschichte an affektiven Störungen ein erhöhtes Risiko, wiederum eine depressive Episode zu erleiden. Es finden sich ferner Hinweise darauf, dass nach dem Einsatz vorbelastete Soldaten häufiger multimorbid erkranken.
3. Einsatzbezogene psychische Störungen werden nicht hinreichend frühzeitig erkannt, selten diagnostiziert und noch seltener behandelt. Dies gilt sowohl für die Inanspruchnahme bundeswehrinterner wie auch außerhalb der Bundeswehrstrukturen aufgesuchter Dienste.
4. Unter Anlegen äußerst liberaler Kriterien für "Behandlung" (zumindest einmaliger Kontakt zum professionellen System) kann die Dunkelziffer für PTBS und andere psychische Erkrankungen auf etwa 50 Prozent geschätzt werden.
5. Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist der herausragende Stellenwert psychischer Vorerkrankungen. Diese erweisen sich als machtvoller und stärkster Prädiktor für einsatzbedingte Folgeerkrankungen. Für die Bundeswehr ergibt sich daraus die Herausforderung eines verbesserten klinisch-diagnostischen Screenings vor Einsätzen, um bereits vor dem Einsatz bestehende psychische Störungen zu erkennen.
6. Ziel eines solchen Screenings sollte primär sein, den Betroffenen das Vorliegen einer psychischen Störung ebenso wie das sich daraus ergebene erhöhte einsatzbezogene gesundheitliche Risikopotential bewusst zu machen. Daran anschließend sollte eine vertrauliche Beratung evtl. angezeigter präventiver oder therapeutischer Schritte erfolgen. Keinesfalls ist es Ziel führend, so ermittelte unerkannte psychische Störungen aktenkundig zu machen, da dies die Gefahr der Stigmatisierung oder potentieller Laufbahnnachteile in sich birgt. Es sind also einerseits geeignete, z.B. aus der Studie selbst abgeleitete gezielte diagnostische Verfahren zu erproben sowie andererseits angemessene Handlungskonsequenzen aus derartigen Befunden zu entwickeln.
7. Ebenso zentral ist der Befund der Studie, dass betroffene Soldaten offensichtlich massive Barrieren wahrnehmen, die sie davon abhalten, sich gegenüber den zuständigen Diensten mit ihrem Leiden zu offenbaren.
8. Positiv ist hervorzuheben, dass die dem Einsatz vorausgehenden vorbereitenden und dem Einsatz folgenden nachbereitenden Maßnahmen von den Soldaten überwiegend als positiv, angemessen und Ziel führend beurteilt werden. Lediglich bei den psychisch vorbelasteten Soldaten ergab sich diesbezüglich ein geringfügig abweichendes, weniger positives Bewertungsbild.
Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse ist nachzulesen unter: http://tu-dresden.de/aktuelles/news/Downloads/ptbs_lang
Informationen für Journalisten:
Professor Dr. Hans-Ulrich Wittchen (Studienleiter)
Sebastian Trautmann (Projektleitung)
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
01187 Dresden, Chemnitzer Str. 46
wittchen@psychologie.tu-dresden.de
Tel. 0351 463-42464
Fax 0351 463-36984