Über Sex reden? Selbst gegenüber dem Partner oder
der Partnerin fühlen sich viele Menschen diesem sensiblen Thema nicht
gewachsen, vor allem wenn es um sexuelle Funktionsstörungen, wie
vorzeitiger Samenerguss geht. Dabei kann ein offenes und
vertrauensvolles Gespräch nach Ansicht der Sexualmedizinerin Dr.
Carla Thiele, Leipzig, viel dazu beitragen, die Beziehung zu stärken
- zumal diesem Schritt oftmals weitere, wie ein gemeinsamer
Arztbesuch folgen. Tatsächlich lässt sich der vorzeitige Samenerguss
behandeln.
Mit jedem Misserfolg wächst der Stress
Der vorzeitige Samenerguss ist eine weit verbreitete sexuelle
Funktionsstörung, von der Untersuchungen zufolge ca. 20 Prozent der
Männer betroffen sind.(1) Statt nach durchschnittlich fünf Minuten
(2) endet der Liebesakt bei ihnen bereits nach weniger als zwei
Minuten.(3) Der vorzeitige Samenerguss birgt ein immenses
Frustpotenzial. "Sex ist im Idealfall die verleiblichte Liebe. Es
geht beim Sex um Nähe und Wahrhaftigkeit - man vermittelt seinem
Partner "ich will das wirklich mit dir" und hat das Gefühl, eins mit
dem anderen zu sein", sagt Sexualtherapeutin Dr. Carla Thiele. "Ist
der Mann von vorzeitigem Samenerguss betroffen, steht also nicht der
eventuell ausbleibende Orgasmus der Partnerin durch den verkürzten
Geschlechtsverkehr im Vordergrund, sondern dem Paar fehlt die
Möglichkeit, sich gegenseitig diese intime Verbundenheit ausdrücken
zu können."
Offenes Gespräch wagen
Tief sitzende Hemmungen und Ängste hindern oftmals die Partner
daran, offen miteinander über sexuelle Schwierigkeiten und
unbefriedigte Bedürfnisse zu sprechen. Außerdem fehlt vielen Paaren
das Wissen, dass es sich beim regelmäßigen "Zu-früh-Kommen" um eine
sexuelle Funktionsstörung handeln kann, die in Fachkreisen als
Ejaculatio praecox bekannt und behandelbar ist. Fest steht jedoch:
Den vorzeitigen Samenerguss totzuschweigen kann ebenso viel Kummer
verursachen wie die Funktionsstörung selbst, quält doch beide Partner
möglicherweise das Bewusstsein, dass etwas Unausgesprochenes zwischen
ihnen steht. "Der fehlende offene und ehrliche Umgang des Paares mit
dem vorzeitigen Samenerguss des Mannes bringt die Beziehung in
Schwierigkeiten. Als erfolgsversprechend sehe ich ein offenes
Gespräch, in dem sich die Partner ihre Wünsche mitteilen und so
gemeinsam auf Lösungssuche gehen", empfiehlt Frau Dr. Thiele. "Der
beste Einstieg in ein offenes und klärendes Gespräch ist das
Wünschen. Beispielsweise "ich wünsche mir, dass wir uns wieder öfter
nahe sind". Indem man dem Partner mitteilt, was man sich wünscht,
werden Du-Anschuldigungen oder Verallgemeinerungen wie "immer" und
"nie" automatisch vermieden. Auch vorwurfsvolle Gesten wie Augen
verdrehen sind tabu." Zur Vorbereitung auf das Gespräch mit dem
Partner hilft es vielen auch sich im Vorfeld ausführlich zu
informieren. Interessante und verständliche Informationen sowie einen
Selbsttest finden sich unter www.späterkommen.de.
Gemeinsames Gespräch erleichtert den Arztbesuch
Paare, denen es gelingt, sich über schwierige Themen wie den
vorzeitigen Samenerguss auszutauschen, machen oft die Erfahrung, dass
eine ganz neue Verbundenheit entsteht. Während des Gesprächs
entwickeln beide außerdem Formulierungen und erhalten Impulse, die
für einen späteren Arztbesuch hilfreich sind. Kompetenter
Ansprechpartner ist beispielsweise der Urologe, der Sexualmediziner
und der Sexualtherapeut. Meist reichen dem Experten wenige gezielte
Fragen, um den eine Diagnose zu stellen. Neuere Forschungen gehen
davon aus, dass der lebenslangen Form des vorzeitigen Samenergusses
teilweise eine Fehlsteuerung des an Orgasmus und Ejakulation
beteiligten Nervenbotenstoffs Serotonin zugrunde liegt.(4) Neben
sexual- und paartherapeutischen kommen daher auch medikamentöse
Therapieoptionen zum Einsatz.
(1) Porst H et al. Eur Urol. 2007;51:816-24.
(2) Waldinger MD et al. J Sex Med 2005;2:492-497.
(3) Patrick DL et al. J Sex Med 2005;2:358-367.
(4) Janssen PKC et al. J Sex Med 2009;6:276-284.
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